Für einen effektiveren Gewässerschutz bei Regenwetter bedarf es nicht nur der Optimierung von Kläranlagen, sondern auch einem Verständnis über die hydraulische Funktionsweise von Sonderbauwerken, wie z.B. Regenüberlaufbecken (RÜB). RÜB, die bei grösseren Regenereignissen verdünntes Mischabwasser in die Gewässer einleiten, werden auf Grundlage von Simulationsmodellen dimensioniert. Ob die berechnete Entlastungshäufigkeit und -dauer auch der tatsächlichen entspricht, wird in der Schweizer Praxis kaum überprüft. Zur Überprüfung können RÜB mit Messgeräten ausgerüstet und wichtige Variablen, wie z.B. der Wasserstand im RÜB erfasst werden. Für Datenfernübertragung und die automatisierte Auswertung sind heute praxistaugliche Technologien verfügbar. Es besteht daher die Vermutung, dass der Einsatz vorhandener Messtechnik an RÜB nicht durch technische Deffizite zu begründen ist, sondern dass das Verständnis für den tatsächlichen Wert und Nutzen von Messdaten bei Betreibern und Behörden fehlt.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, erstens den heutigen Zustand in der Schweiz in Bezug
auf die Ausstattung von RÜB mit Messtechnik und den Umgang mit Messdaten zu erfassen
und zu erklären. Davon werden zweitens Instrumente abgeleitet, die dazu beitragen
könnten, dass Messdaten von allen Akteuren (Gemeinden, Abwasserverbänden, Kantone,
Bund, Ingenieur- und Planungsbüros) genutzt werden. Zur gemeinsamen Untersuchung
des technischen Systems und beteiligter Akteure werden methodische Ansätze aus der
Policy-Analyse angewendet, wobei der Fokus auf die Abwasserverbände in der Schweiz
gelegt wurde. Eine Online-Umfrage wurde durchgeführt und mit deskriptiven und erklärenden
statistischen Analysemethoden (wie z.B. Regressionsanalysen) ausgewertet.
Mit der Online-Umfrage werden 73 % der Abwasserverbände in der Schweiz abgedeckt.
Überraschend positiv ist, dass insgesamt bereits 84 % der RÜB, die sich im Betrieb
von Abwasserverbänden befinden, mit einem Messgerät ausgerüstet sind. Defizite sind
jedoch im Umgang mit den Messdaten vorhanden. In 34 % der Abwasserverbände werden
Wasserstands-Daten aggregiert, was heute nicht mehr dem Stand der Technik entspricht.
Daten werden in 47 % der Abwasserverbände nie oder nur unregelmässig ausgewertet und
in 61 % weder an Ingenieurbüros (für Planungszwecke) noch an kantonale Fachstellen (zur
Erfolgskontrolle) weitergeleitet. Das liegt vor allem daran, dass Abwasserverbände Messdaten
hauptsächlich für die betriebliche Optimierung nutzen. Da Kosteneinsparungen eher
im Hintergrund stehen, liegt nahe, dass Subventionen weniger bevorzugt sind. Vielmehr
priorisieren Abwasserverbände und Kantone die Einführung von Zielvorgaben.
Die Ergebnisse aus der Online-Umfrage beschränken sich nur auf die Abwasserverbände,
Gemeinden werden z.B. nicht untersucht. Da die Situation in der Schweiz sehr heterogen
ist, sollten Instrumente regional angepasst werden. Um dies zu untersuchen, wären weitergehende
statistische Verfahren, wie z.B. die Clusteranalyse, angebracht.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass für eine volle Wertausschopfung von Messdaten
regulative Instrumente ebenso erforderlich sind wie organisatorische Anpassungen. Dafür
sollten Akteure (Bund, Kantone, VSA) zum Beispiel eine Verordnung entwickeln, die Zielvorgaben
für RÜB definiert und betriebliche Kompetenzen klar verteilt.
Diese Masterarbeit stellt viel Material bereit, das sich ohne grosse Anpassungen auch für
die Untersuchung in anderen Ländern (z.B. Deutschland, Österreich) anbietet.