Abteilung Verfahrenstechnik

MAD4WW: Hybride mechanistische und datengetriebene Modellierung für Abwasserprozesse

Abwasserreinigungsanlagen sind einer Vielzahl von Anforderungen ausgesetzt. Neben der Einhaltung strikter Einleitbedingungen wird heutzutage auch ein Beitrag zum Klimaschutz oder zur Schliessung von Nährstoffkreisläufen erwartet. Computermodelle, die das Verhalten der komplexen Abwasserreinigungsprozessen abbilden, können in solchen Situationen helfen, einen optimalen Betrieb zu fahren. Jedoch sind bisherige Modelle weder in der Lage alle relevanten chemischen Verbindungen zu simulieren, noch nutzen sie das Potential von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, um unbekannte Beziehungen aufzudecken. Ein wichtiges Beispiel stellen Lachgasemissionen aus der biologischen Stickstoffelimination dar: Lachgas ist ein sehr starkes Treibhausgas und seine Bildung ist in der Komplexität des Belebtschlamms schwierig vorherzusagen.

Das Hauptziel dieses vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Forschungsprojekts ist die systematische Untersuchung von hybriden Modellansätzen zur Vorhersage von Lachgasemissionen in der biologischen Abwasserreinigung. Hybrid bedeutet in diesem Zusammenhang die Kombination von datengetriebenen Ansätzen (künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, etc.) und prozesswissen- bzw. physikalisch-basierten Modellen (Differentialgleichungen, Massenbilanzen, etc.). Die hybride Modellierung ist noch relativ jung und es besteht grosser Forschungsbedarf in den Bereichen Interpretierbarkeit, Zuverlässigkeit und Verallgemeinerung dieser Ansätze.

Projektziele

Im Rahmen des Projekts MAD4WW wird untersucht werden:

  1. wie maschinelles Lernen uns unterstützen kann, das Prozessverständnis zu erweitern, um die Modellbildung zu verbessern (u.a. indem neue Datenquellen wie DNA-Daten genutzt werden);
  2. wie hybride Modellierung trotz Einbindung künstlicher Intelligenz transparent und interpretierbar bleiben kann;
  3. inwiefern stochastische Ansätze eingebracht werden können, um die Zuverlässigkeit, bzw. die Unsicherheit, der Resultate abzubilden;

Angestrebte Ergebnisse

Dieses Projekt wird einerseits wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, um dank hybrider Ansätze die Modellierung komplexer Abwasserprozesse substanziell voranzubringen und zukunftsfähig zu machen. Andererseits wird im Projekt ein Modell zur Vorhersage von Lachgas entwickelt. Dies wird nicht nur unser Prozessverständnis zur Bildung von Lachgas erweitern, sondern soll Ingenieurinnen und Betreiber von Anlagen unterstützen, optimale Betriebsstrategien zu finden, um Einleitbedingungen einzuhalten und gleichzeitig Treibhausgasemissionen zu minimieren.

Hybride Modellierung

Gemäss der IWA-MIA Hybrid Modelling Working Group, ist die hybride Modellierung die Kombination von mechanistischen und datengetriebenen Modellierungsansätzen. Mechanistische Modelle basieren auf physikalischen, chemischen oder biologischen Gesetzen und sind dank ihrer Ursache-Wirkungs-Ketten gut interpretierbar. Jedoch können damit nur bekannte Beziehungen modelliert werden. Datengetriebene Modelle hingegen lernen die Modellstruktur selbst und können relativ leicht und flexibel neue Daten berücksichtigen und integrieren. Jedoch sind diese Modelle sehr stark von der Datenqualität und –quantität abhängig. Sie haben eine beschränkte Extrapolationsfähigkeit und sind überdies limitiert interpretierbar, da sie nicht auf kausalen Zusammenhängen basieren. Die hybride Modellierung versucht, sowohl von der mechanistischen als auch von den datengetriebenen Modellierungsansätzen die jeweiligen Vorteile zu nutzen.

Zusammenarbeit mit dem Projekt SCENE

Das Unterprojekt von SCENE (Joint Initiative des ETH-Bereichs) zum Thema Reduktion von Treibhausgasemissionen aus der Abwasserreinigung stellt eine ideale Ergänzung zu MAD4WW dar. Im SCENE-Projekt wird einerseits über Experimente und in Zusammenarbeit mit der Empa (Dr. Joachim Mohn) über Isotopenanalyse die verschiedenen Entstehungsmechanismen von Lachgas in der biologischen Abwasserreinigung erforscht. Andererseits werden Langzeitmesskampagnen von Lachgasemissionen auf Abwasserreingungsanlagen mit erweiterter Datenanalyse untersucht.

Kontakt und Projektleitung

Dr. Andreas Frömelt Gruppenleiter Tel. +41 58 765 6861 Inviare e-mail

Team

Andreas Scheidegger Statistics, Data Science & Modeling Tel. +41 58 765 5053 Inviare e-mail