Abteilung Siedlungswasserwirtschaft
Umweltrelevante gesellschaftliche Entscheidungsprozesse am Beispiel der Siedlungswasserwirtschaft
Zusammenfassung
Die Wissenschaft erwartet, dass Starkregen aufgrund des Klimawandels in Zukunft häufiger auftreten werden. Während eines Starkregens kann das Abwassersystem nicht immer das gesamte anfallende Regenwasser ableiten, was in einer Überlastung des Mischwassersystems resultiert. Ungereinigtes Mischwasser muss entlastet werden, was als Mischwasserentlastung (oder Abwasserüberlauf) bekannt ist. Das Mischwasser kann auch aus Schächten überlaufen und Strassen und Keller überfluten. Im Zuge des Klimawandels ist zu erwarten, dass diese Ereignisse häufiger auftreten werden. Es ist möglich, bauliche und damit kostenintensive Massnahmen zu treffen, um das Abwassersystem dem Klimawandel anzupassen. Damit würden die Abwassergebühren, die von der Bevölkerung bezahlt werden, ansteigen.
Ziel dieses Forschungsprojektes war es, die Zahlungsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung für die Anpassung des Abwassersystems an den Klimawandel einzuschätzen. Wir haben in der Schweiz eine repräsentative Umfrage mit 1’022 Teilnehmende in den drei Sprachregionen durchgeführt. Die Zahlungsbereitschaft wurde mittels einer Conjoint-Analyse bewertet. Diese beinhaltet die Beschreibung verschiedener hypothetischer Szenarien mit jeweils zwei Optionen. Die Teilnehmenden müssen angeben, welche Option sie bevorzugen. In unserer Umfrage haben wir die Teilnehmenden zuerst über das Abwassersystem und den Klimawandel informiert, um ihnen bei der Entscheidung zwischen den verschiedenen Optionen zu helfen. Dabei haben wir uns auf die folgenden Ereignisse fokussiert: a) Abwasserüberläufe in Seen und Flüsse; b) Abwasserüberflutung von Strassen; und c) Abwasserüberflutung von Kellern.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Schweizerinnen und Schweizer über die Konsequenzen der Abwassersystem-Überlastungen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit besorgt sind. Insgesamt wären 56% der Teilnehmenden bereit, zusätzliche Gebühren zu bezahlen, um die Risiken von Abwasserüberflutungen und Mischwasserentlastung zu vermindern. Die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft lag bei rund 240 CHF pro Person und pro Jahr. Dies ist in etwa derselben Grössenordnungen wie die heutigen Kosten der Abwasserentsorgung. Um Mischwasserentlastungen zu reduzieren wären die Teilnehmenden bereit, mehr zu bezahlen (302 CHF, 71% der Befragten wären bereit zu bezahlen). Die Zahlungsbereitschaft zur Reduktion von Strassenüberflutungen lag bei 237 CHF pro Jahr und Person (53% der Befragten würden bezahlen). Die Zahlungsbereitschaft, um die Überflutung von Kellern zu verhindern, lag bei 184 CHF pro Jahr und Person (43% der Befragten). Persönliche Interviews zeigten, dass die Verhinderung von Kellerüberflutungen eher in der privaten Verantwortung gesehen wird und vermutlich deshalb die Zahlungsbereitschaft für öffentlich finanzierte Massnahmen geringer ist.
Wir möchten betonen, dass die Zahlungsbereitschaft auf hypothetischen Szenarien basiert. Aus verschiedenen Gründen ist es möglich, dass die verwendete Methodik die absoluten Werte der Zahlungsbereitschaft überschätzt. Trotzdem zeigen die Resultate deutlich, dass die Bevölkerung dem Gewässerschutz einen hohen Wert beimisst. Massnahmen, welche die klimabedingten Effekte der Abwasserentsorgung reduzieren, würden von der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wahrscheinlich gut aufgenommen, insbesondere wenn ökologische und gesundheitliche Risiken reduziert und entsprechend kommuniziert werden.
Publikationen
Chawla, F., M. Veronesi, M. Maurer, J. Lienert (2011) Economic valuation and perception of personal and environmental risks in the wastewater sector: Evidence from a representative stated preference survey in Switzerland. Final report of the project “Umweltrelevante gesellschaftliche Entscheidungsprozesse” to FOEN (Federal Office for the Environment), Eawag, Dübendorf, Switzerland, pp. 154.