FAQ – Pestizide im Wasser

Pestizide im Trinkwasser

Können wir das Wasser ab Hahn bedenkenlos trinken?

Das Schweizer Trinkwasser aus dem Hahn kann bedenkenlos konsumiert werden. Die Kantonschemiker versichern, dass die Qualität des Trinkwassers in der Schweiz gut ist (Stand: September 2019). Regionale Verbesserungen sind jedoch nötig, insbesondere bei Trinkwasser, das von Grundwasser aus Ackerbaugebieten stammt.
Da in der Schweiz im Gesetz die Höchstwerte für organische Pestizide und ihre Metaboliten im Trinkwasser vorsorglich sehr tief angesetzt sind, gelten die festgestellten Überschreitungen von Höchstwerten im Trinkwasser nach heutigem Wissensstand als unbedenklich für den Menschen. (Basis: humantoxikologischen Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO.)

Wie ist die aktuelle Belastung des Trinkwassers?

Das Schweizer Trinkwasser stammt aus Grund- und Seewasser. Durch die Anwendung von Pestiziden sind die Trinkwasserressourcen jedoch mit deren Rückständen, also Wirkstoffen und Metaboliten, verunreinigt. Teils wurde der gesetzliche Höchstwert (siehe Trinkwasserverordnung) überschritten, zum Beispiel bei Metaboliten von Chlorothalonil.

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Chlorothalonil wurde in Pestiziden als Wirkstoff gegen Pilzbefall insbesondere bei Getreide, Kartoffeln, Gemüse und Reben eingesetzt. Im Dezember 2019 hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) alle Metaboliten von Chlorothalonil als relevant eingestuft, da eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. Für relevante Metaboliten gilt ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Trinkwasser, der auch als Grenzwert für Grundwasser gilt. 2019 wurden insgesamt sieben Metaboliten von Chlorothalonil im Grundwasser eindeutig nachgewiesen. Zum Teil überstiegen ihre Konzentrationen den aktuell gültigen Grenzwert. Auch im Trinkwasser überstiegen die Konzentrationen von Chlorothalonil-Metaboliten teilweise den gesetzlichen Anforderungswert.
Chlorothalonil ist seit dem 1. Januar 2020 verboten.

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Was passiert, wenn die Höchstwerte für Trinkwasser nicht eingehalten werden?

Folgende Massnahmen werden umgesetzt, um das Einhalten der gesetzlichen Höchstwerte sicherzustellen:

  • Verdünnen des Wassers mit unbelasteten Wasser
  • Besserer Schutz der Zuströmbereiche
  • Einbau von Filteranlagen und / oder Aufbereitungsanlagen
  • Schliessen der betroffenen Wasserfassung

Wer ist für die Sicherheit des Trinkwassers zuständig?

Die Verantwortlichkeiten sind wie folgt geregelt.

Bund – Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und Bundesamt für Landwirtschaft BLW: zuständig für gesetzliche Vorgaben und Grenzwerte

Kantone – Kantonschemiker: zuständig für Vollzug und Überwachung

Wasserversorger: zuständig für Überwachung und Aufbereitung des Wasser, sodass die Höchstwerte für Trinkwasser eingehalten werden.

Hausbesitzer: zuständig für Installationen und Wasserqualität im eigenen Haus.

Eine weitere wichtige Organisation im Zusammenhang mit Trinkwasser ist der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW, der sich für eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Gas und Wasser einsetzt.

Wer beurteilt, ob Pestizide und ihre Metaboliten gesundheitlich unbedenklich sind?

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV.

Sind die Risiken für Menschen geringer als für Wasserorganismen?

Ja, das Risiko für den Menschen ist geringer, da die Konzentrationen im Trinkwasser viel tiefer sind als in Flüssen und Bächen. Ausserdem sind viele Pestizide für den Menschen weniger problematisch, weil sie sich nicht täglich während 24 Stunden im Wasser aufhalten. Gewässerorganismen wie z.B. Fische nehmen zudem die Schadstoffe nicht nur über die Nahrung, sondern zusätzlich auch über ihre Haut und mit der Atmung über die Kiemen auf.

Da der Schweizer Höchstwert für Pestizide im Trinkwasser im Gesetz vorsorglich sehr tief angesetzt ist, kann das Schweizer Trinkwasser aus dem Hahn bedenkenlos konsumiert werden.

Auskunft über die Risiken für die Menschen gibt das Schweizer Zentrum für angewandte Humantoxikologie SCAHT. Über Risiken für Gewässerorganismen berichtet das Oekotoxzentrum.

Pestizide in Gewässern und Grundwasser

Wie stark sind heute Gewässer und Grundwasser in der Schweiz von Pestiziden belastet?

Oberflächengewässer

Zahlreiche Studien von Bund, Kantonen und Forschung zeigen, dass die Konzentrationen von Pestiziden in vielen Oberflächengewässern in landwirtschaftlich genutzten Gebieten so hoch sind, dass ein Risiko für die Gewässerorganismen besteht. So haben zum Beispiel Forschende der Eawag und des Oekotoxzentrums 2017 Wasserproben aus fünf kleinen Bächen in Landwirtschaftsgebiet analysiert. Das Ergebnis: In keinem der untersuchten Bäche konnten Risiken für empfindliche Gewässerorganismen ausgeschlossen werden. Die Risiken bestanden während Monaten. In der Hälfte der Wasserproben fanden sich zudem mehr als 35 verschiedene Wirkstoffe. Die Einzugsgebiete der beprobten Bäche sind zwar intensiv landwirtschaftlich genutzt, sind aber durchaus nicht aussergewöhnlich für die Schweiz. Es ist deshalb davon auszugehen, dass diese Situation nicht nur 2017 so war, sondern bis heute anhält. 2019 wurden auch Belastungen in Bachsedimenten festgestellt.

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Grundwasser

Rückstände von Pestiziden, d.h. deren Wirkstoffe und Metaboliten treten schweizweit an über 50 Prozent der NAQUA-Messstellen im Grundwasser auf. In intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten werden Rückstände an über 90 Prozent der NAQUA-Messstellen nachgewiesen.

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Welche Risiken bergen die gemessenen Konzentrationen für Tiere und Pflanzen im Wasser?

Ökotoxikologische Untersuchungen zeigen, dass Pestizide die Fortpflanzung, Entwicklung und Gesundheit von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren beeinträchtigen können. Pestizide stellen daher eine Gefahr für die Artenvielfalt dar.

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Sind alle Pestizide gleich giftig für die Wasserlebewesen?

Nein. Verschiedene Pestizide sind für die Lebewesen im Wasser sehr unterschiedlich toxisch und werden auch in sehr unterschiedlichen Mengen ausgebracht. Ein Stoff mit niedriger Toxizität, der in grossen Mengen ausgebracht wird, kann die gleiche Umweltbelastung haben wie ein Stoff mit hoher Toxizität, der in geringen Mengen verwendet wird. Ob ein Stoff in problematischen Mengen in die Gewässer gelangen kann, hängt aber auch von seinen Eigenschaften ab. Unter anderem ist es wichtig, wie schnell ein Stoff im Boden abgebaut wird.

Die neue Gewässerschutzverordnung vom 1. April 2020 berücksichtigt die unterschiedliche Toxizität und hat für besonders problematische Pestizide strengere Grenzwerte eingeführt.

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Warum misst man einzelne Stoffe auch Jahre nach einem Anwendungsverbot noch im Grundwasser?

Grundwasser erneuert sich nur langsam. Im kühlen Grundwasser bauen sich die Stoffe zudem nur langsam ab. Auch gibt es dort kaum Mikroorganismen, die wesentlich zum Abbau beitragen. Weiterhin werden im Boden gespeicherte Stoffe bzw. ihre Metabolite z.T. nur langsam in das Grundwasser ausgewaschen. So werden bis heute Metaboliten des Herbizids Atrazin im Grundwasser gefunden, obwohl es bereits seit 2012 in der Schweiz verboten ist.

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Wurde in den bisherigen Untersuchungen zu den Pestiziden alles erfasst?

Nein. Aktuell sind rund 300 Wirkstoffe für Pestizide zugelassen. Für die Routinemessungen der Kantone sind nur rund 50 vorgeschrieben. Viele Kantone messen zwar deutlich mehr, aber die ganze Palette wird praktisch nie erfasst. Für einzelne Stoffe sind ausserdem erst seit kurzen analytische Methoden verfügbar, zum Beispiel für die Pyrethroide – synthetische, hochwirksame Insektizide. Kurzzeitige Konzentrationsspitzen werden zudem kaum je erfasst, weil Sammelproben (meist über 14 Tage) genommen werden.

Warum decken sich Werte aus dem Zulassungsverfahren nicht mit den Anforderungen der Gewässerschutzgesetzgebung?

Im Zulassungsverfahren wird mit Modellen geprüft, ob ein Pestizid für Gewässerorganismen ein Risiko darstellt. Aus der Risikobewertung können sogenannte Regulatory Acceptable Concentrations (RAC) hergeleitet werden. Zugelassen werden dann nur Mittel, bei denen keine «unannehmbaren Nebenwirkungen» auf Gewässerorganismen erwartet werden.

In der Gewässerschutzgesetzgebung wird dagegen geregelt, welche Konzentrationen von Pestiziden höchstens in der Umwelt tatsächlich vorkommen dürfen, damit «die Fortpflanzung, Entwicklung und Gesundheit empfindlicher Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen nicht beeinträchtigt» werden (GSchV, Anhang 2).

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Könnte ein Verbot von besonders problematischen Wirkstoffen das Problem für die Gewässer lösen?

Untersuchungen der Eawag von 2012 bis 2017 haben gezeigt, dass mindestens 30 Stoffe so riskant sind, dass deren Eintrag in die Gewässer deutlich reduziert werden sollte. Bei einem Verbot von besonders problematischen Wirkstoffen muss insbesondere sichergestellt werden, dass dies nicht zur verstärkten Nutzung eines Ersatzstoffes führt, der neue Probleme verursacht.

Im Pestizid-Paket für die Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) ist vorgesehen, den Einsatz von besonders problematischen Stoffen vom Direktzahlungssystem auszuschliessen oder ganz zu verbieten.

Was macht die Schweizer Politik für saubere Gewässer?

Insbesondere wenn Grundwasser, die Hauptquelle für Trinkwasser, betroffen ist, werden Massnahmen eingeleitet, zum Beispiel das Verbot von Chlorothalonil.

Um langfristig sicherzustellen, dass die Grenzwerte nicht überschritten werden, hat der Bundesrat 2017 den «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» verabschiedet. Seitdem sind zahlreiche Massnahmen angelaufen mit den Zielen

  • Reduktion der Emissionen von Pflanzenschutzmitteln mittelfristig um 25 Prozent
  • Förderung der Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz
  • Halbierung der Risiken und deutliche Senkung der Belastung durch Metaboliten

Da die Pflanzenschutz-Wirkstoffe teils sehr langlebig sind und Grundwasser sich nur langsam erneuert, sind insbesondere vorausschauende Massnahmen wichtig. Ein Verbot, das heute in Kraft tritt, entfaltet seine volle Wirkung häufig erst nach Jahren oder Jahrzehnten.

Weitere Fragen

Wie ist heute die Qualität der Gewässer, des Grundwassers und des Trinkwassers im Gesetz geregelt?

Ziele zum Schutz des Wassers sind in der Verfassung, im Gewässerschutzgesetz und der Gewässerschutzverordnung, der Pflanzenschutzmittelverordnung sowie in der Trinkwasserverordnung festgehalten. Die wichtigsten numerischen Anforderungswerte für Pestizide:

Oberflächengewässer

  • 19 Pestizide sind mit substanzspezifischen, ökotoxikologisch begründeten Anforderungen geregelt. In Gewässern, die der Trinkwassernutzung dienen, gelten diese Werte nur, soweit sie die Anforderung von 0,1 Mikrogramm pro Liter nicht überschreiten.
  • Für alle nicht spezifisch geregelten organischen Pestizide gilt die Anforderung von 0,1 Mikrogramm pro Liter.

Grundwasser für die Trinkwassergewinnung

  • 0,1 Mikrogramm pro Liter für alle organischen Pestizide.

Trinkwasser

  • 0,1 Mikrogramm pro Liter pro Pestizid und pro relevanten Metabolit. Metaboliten werden als relevant eingestuft, wenn eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.
  • 0,5 Mikrogramm pro Liter für die Summe aller Pestizide
  • Ausnahmen gelten für Kupfer (1 Milligramm pro Liter) und Aldrin, Dieldrin, Heptachlor und Heptachlorepoxid (0,03 Mikrogramm pro Liter)

Ausführliche Informationen sind in den oben angegebenen Gesetzen und Verordnungen zu finden.

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Woher stammen die Pestizide in den Gewässern?

Viele Pestizide stammen aus der Landwirtschaft. In der Schweizer Landwirtschaft werden jährlich rund 2200 Tonnen Pflanzenschutzmittel eingesetzt (Quelle: «Agrarbericht 2016»). Aber auch im Siedlungsgebiet verwendete Biozide gelangen in Gewässer. Um die Situation unterhalb von Abwasserreinigungsanlagen weiter zu verbessern, werden in den kommenden Jahrzehnten 1,4 Milliarden Franken in zusätzliche Reinigungsstufen investiert.

Welche Massnahmen sind aktuell in Umsetzung oder sind in den nächsten Jahren geplant?

Aktionsplan Pflanzenschutzmittel

Der Bundesrat hat 2017 den «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» verabschiedet. Ziel des Planes ist es, die Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz zu fördern und die Risiken zu halbieren.

Agrarpolitik ab 2022

Im Pestizid-Paket für die Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) ist vorgesehen, den Einsatz von besonders problematischen Stoffen vom Direktzahlungssystem auszuschliessen oder ganz zu verbieten.

Volksinitiativen

Aktuell sind in der Schweiz zwei Volksinitiativen hängig, die sich mit dem Schutz von Gewässern und Wasser beschäftigen: Die Pestizid-Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» und die Trinkwasser-Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung».

Parlamentarische Initiativen

Aktuell sind mehrere Vorstösse zum Thema Pestizide im Parlament hängig, zum Beispiel

Welchen Beitrag kann die Eawag zum Schutz von Gewässern und Wasser leisten?

  • Die Forschung kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Gewässerschutz verstärkt auf die gesteckten Ziele auszurichten.
  • Wissenschaftliche Grundlagen für Entscheidungsträger
  • Weiterentwicklung von Monitoring-Konzepten.
  • Entwicklung neuer Analyse-Methoden, um eine möglichst breites Spektrum an Wirkstoffen und auch niedrigste Konzentrationen von hoch toxischen Pestiziden zu erfassen.
  • Spezialkampagnen für die Überwachung der Wasserqualität
  • Aus- und Weiterbildungen für die kantonalen und kommunalen Fachstellen im Gewässer- und Wasserschutz.

Gibt es Alternativen zu den heute gängigen PSM?

Informationen hierzu finden Sie beim Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung Agroscope «Alternativen zu Pestiziden stehen bei Agroscope im Zentrum» und beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL «Funktionelle Agro-Biodiversität»

Kann der Anteil von (nicht-synthetischen) Substanzen aus dem biologischen Landbau an den Verunreinigungen eruiert werden?

Auch für den Biolandbau zugelassene PSM-Wirkstoffe können für Gewässerorganismen Risiken darstellen. Mittel wie Paraffinöl, anorganischer Schwefel oder Kupfer könnten zwar analytisch erfasst werden. Allerdings gelangen diese Stoffe auch aus anderen Quellen in die Gewässer oder kommen sogar natürlich vor, so dass mit einer Messung in der Regel nicht auf den Einsatz im biologischen Landbau zurückgeschlossen werden kann.

Gewisse Substanzen werden nicht gemessen, beispielsweise Pyrethrum, welches mit den synthetischen Pyrethroiden verwandt ist, aber aus einem Gemisch von natürlich vorkommenden Pyrethrinen besteht. Ein Referenzstandard für die Vielzahl an Pyrethrinen existiert nicht, so dass eine Detektion nur qualitativ erfolgen kann. Wir an der Eawag haben dazu keine Messungen getätigt. Aktuell liegen nur für das nicht-synthetische Pflanzenschutzmittel Spinosad eine kleine Anzahl an Messungen vor. Spinosad wurde in der Kampagne NAWAspez 2017 miterfasst und nur in einer Probe detektiert. Insgesamt ist die Datenlage also sehr knapp. Das erlaubt keine Berechnung eines Risikoanteils für PSM aus dem Biolandbau.