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Helen Moor – neue Gruppenleiterin in Siam

5 settembre 2023 | Bärbel Zierl

Seit Juni baut Helen Moor als Gruppenleiterin in der Abteilung Siam die neue Forschungsgruppe «Ökologische Modellierung» auf. Ihr Interesse für Feuchtgebiete und für die Kombination von theoretischen Modellen mit unterschiedlichsten Daten zieht sich wie ein Faden durch ihre Forschungskarriere – und hat sie vor gut einem Jahr auch an die Eawag gebracht. 

Nach ihrem Studium der Biologie in Basel und der Ozeanographie in Kiel promovierte Helen am Stockholm Resilience Centre in Schweden. Bereits hier begann sie, sich mit aquatischen Ökosystemen zu befassen und theoretische Modelle mit Daten zu kombinieren. Es folgten zwei Postdoc-Stellen, zuerst von 2017 bis 2020 an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften und von 2020 bis 2022 an der WSL im Rahmen der Forschungsinitiative Blue-Green Biodiversity BGB. Im BGB-Forschungsprojekt untersuchte sie, «was passiert, wenn wir die Landschaft wieder etwas feuchter gestalten.» Wie können Naturschutzmassnahmen wie der Bau von Tümpeln die Artenvielfalt von Amphibien fördern? Danach erarbeitete Helen zusammen mit Forschungskollegen ein Synthese-Paper über die BGB-Resultate aus Phase 1. «Ich finde es sehr wichtig, gerade wenn man gesellschaftsrelevante Forschung betreibt, die Ergebnisse auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen», sagt Helen.    

Modellierung im Dienst der Artenvielfalt

Im Mai 2022 kam Helen als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Eawag in die Abteilung Siam. Seit Juni 2023 baut sie nun als Gruppenleiterin die neue Forschungsgruppe «Ökologische Modellierung» in Siam auf. Im Zentrum stehen dabei die Entwicklung und Anwendung von prozess-basierten statistischen Modellen, welche die räumliche und zeitliche Dynamik von Populationen und Artengemeinschaften in Bezug auf Umweltveränderungen beschreiben. Besonders interessieren Helen hierarchische Modelle, die unterschiedliche Datenquellen miteinander vereinen. Das erlaubt es, alle relevanten Informationen zur Beantwortung einer Frage heranzuziehen. Und das unter Berücksichtigung der Messfehler, die mit den unterschiedlichen Datenerhebungsmethoden einhergehen.

Hierfür kombiniert Helen statistische Modelle sowohl mit Daten aus systematischen Monitoring-Programmen als auch mit sogenannten opportunistischen Daten, also unsystematischen Daten, etwa aus Citizen-Science-Projekten. Letztere sind sehr ungleichmässig verteilt, da «die Leute gerne dorthin gehen, wo es schön ist, zum Beispiel in Naturschutzgebiete. Und das eher im Sommer und nicht im November, wenn es regnerisch und kalt ist.» Opportunistische Daten sind daher oft mit systematischen Fehlern behaftet. Das macht sie schwierig zu modellieren. Aber genau das findet Helen spannend. Sie ruft daher auch alle Eawag-Forschenden auf, sich bei ihr zu melden, falls sie interessante Daten haben, egal ob Messdaten aus Experimenten oder Monitoringdaten aus dem Feld. Besonders erwünscht sind lange Zeitreihen. «Mit meiner Gruppe möchte ich dazu beitragen, das Beste aus solchen Daten herauszuholen.» 

Erwartungen des Naturschutzes proaktiv steuern

Der Fokus liegt dabei auf den Themen Biodiversität und Wasser in der Landschaft. «Mich fasziniert, was der Verlust von kleinen stehenden Gewässern und Feuchtgebieten für die Artenvielfalt bedeutet», sagt Helen. «Wir kämpfen heute mit der Erbschaft des letzten Jahrhunderts, in dem man gezielt und mit viel Aufwand die Landschaft trockengelegt hat. Viele Feuchthabitate und Arten sind damit verschwunden. Wir möchten untersuchen, wie wir diese Arten und ihre Ausbreitung wieder fördern können.»

Ein erstes zweijähriges Forschungsprojekt ist bereits vom Schweizerischen Nationalfond SNF finanziert. Das Projekt geht der Frage nach, wie schnell sich Naturschutzmassnahmen auf die Artenvielfalt auswirken. «Ich möchte Modelle entwickeln, die allgemeine Aussagen machen können, in welchem Zeitraum man bei konkreten Massnahmen eine positive Entwicklung erwarten kann. Und wie stark die vorangegangene Dynamik, also der Rückgang der Arten, die Wiederausbreitung beeinflusst.» Es geht auch darum, den Naturschutz vor Enttäuschungen zu bewahren, da es oft Jahre bis Jahrzehnte dauern kann, bis sich Massnahmen bezahlt machen und sich wieder stabile Populationen etablieren.

«Sprache prägt unseren Umgang mit der Natur»

In ihrer Freizeit ist Helen gerne draussen in der Natur unterwegs. Sie wandert gerne und nimmt dabei die Botanik entlang des Weges genauer unter die Lupe. «Ich finde es spannend, ein bisschen etwas über die Pflanzen zu wissen. Zum Beispiel, welche man essen kann», erzählt Helen. «Ich finde Wandern auch wunderbar demokratisch, weil es jedem zugänglich ist. Es kostet kaum etwas, man muss keine Güter konsumieren, nur gute Schuhe sind wichtig. Man muss aufeinander Rücksicht nehmen und sich den Raum miteinander teilen.»

Ausserdem begeistert sich Helen für Sprache und Literatur, vor allem für Literatur, die versucht zu verstehen, wie Menschen, Natur und Landschaft interagieren. «Wir haben oft das Gefühl verloren, in die Natur eingebettet zu sein, Teil von ihr zu sein», sagt Helen. «Sprache spielt hierfür eine wichtige Rolle. Sie prägt, wie wir die Welt wahrnehmen und wie wir mit ihr umgehen. Oft gehen etwa Wörter für Landschaftsformen wie Altwasser oder für Naturphänomene wie Schwingrasen in der modernen Gesellschaft verloren. Mit dem Verlust der Wörter schwindet dann oft auch die Verbindung der Menschen zur Natur. Indem man versucht, diese Sprache wiederzubeleben oder zu erhalten, bewahrt man diese Verbindung und unser Verhältnis zu den kleinen Dingen in der Natur».