EcoImpact 1
Die Verschmutzung von Süsswasser-Ökosystemen durch Mikroverunreinigungen gilt heute als ein wichtiges Umweltproblem. Die Wirkung von Mikroverunreinigungen auf spezifische Organismen ist mit einer Fülle von Daten dokumentiert. Noch wenig bekannt ist hingegen, wie sich Mikroverunreinigungen auf die komplexen Strukturen und Funktionen ganzer aquatischer Ökosysteme auswirken.
EcoImpact 1 war ein abteilungsübergreifendes, interdisziplinäres Forschungsprojekt der Eawag mit dem Ziel, diese Wissenslücke zu schliessen. EcoImpact 1startete 2013 und wurde im Hinblick auf die künftige technische Aufrüstung von ARAs in der Schweiz initiiert. Die damit verbundenen Veränderungen bieten eine einmalige Gelegenheit, die Auswirkungen von Mikroverunreinigungen auf natürliche aquatische Ökosysteme zu untersuchen. Dazu wurden zwei komplementäre Ansätze verfolgt: eine Feldstudie an ausgewählten Ausläufen von ARA's sowie Experimente unter kontrollierten Bedingungen im Rinnensystem Maiandros.
Projektpartner
Bundesamt für Umwelt, BAFU, Abt. Wasser
- Aquabug, Sciences naturelles et environnement, Neuchatel
Die Projektpartner sind eidgenössische und kantonale Behörden, Unternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Vortrag (Video) an der Uni Waterloo
12. Januar 2017
Referent: Christian Stamm, Eawag
Unraveling the impacts of wastewater-borne micropollutants in stream ecosystems
Mikroverunreinigungen
Mikroverunreinigungen (MV) sind organische und anorganische chemische Schadstoffe, die in sehr geringen Konzentrationen in Gewässern vorkommen. Trotz dieser geringen Konzentrationen können MV jedoch negative Auswirkungen auf Organismen und auf die Trinkwasserqualität haben. MV stammen aus vielen Produkten, die in Industrie-, Landwirtschafts- und Tourismusbetrieben oder in Privathaushalten verwendet werden, wie Kosmetika, Baustoffe, Arzneimittel oder Biozide. Sie gelangen über verschiedene Eintragspfade in die aquatische Umwelt, so etwa über die Siedlungsentwässerung oder durch Abschwemmung aus Landwirtschafts- oder Verkehrsflächen.
Auswirkungen von Mikroverunreinigungen (MV)
MV können schon in sehr geringer Konzentration Auswirkungen auf Organismen haben. Da sie als biologisch aktive Substanzen entwickelt wurden (z.B. Biozide, Arznei- und Pflanzenschutzmittel), ist zu erwarten, dass ähnliche, aber unerwünschte Effekte in der Umwelt beobachtet werden können. Zum Beispiel hemmen Pflanzenschutzprodukte auch die Entwicklung von photosynthetischen Organismen in Gewässern. Genauso können Wirbeltiere wie Fische auf Hormone und Insekten im aquatischen Umfeld auf Insektizide reagieren.
Unvollständige Entfernung von Mikroverunreinigungen (MV) in konventionellen ARAs
Viele MVs gelangen über die Kläranlagen in die Gewässer. Die heutigen ARAs sind in erster Linie auf die Entfernung von Nährstoffen ausgelegt. Damit haben sie erfolgreich zur Erreichung der Gewässerschutzziele beigetragen. In den letzten Jahren zeigte sich aber, dass in den Kläranlagen viele MVs nicht vollständig entfernt werden und daher zusätzliche Reinigungsstufen nötig sind. Im Rahmen der Strategie Mikroverunreinigung haben die Schweizer Behörden entschieden, etwa 100 der 700 Schweizer ARAs mit zusätzlichen Reinigungsstufen auszustatten. Die damit verbundenen Veränderungen sind eine einmalige Gelegenheit, die Auswirkungen von MV auf natürliche aquatische Ökosysteme in unserem Forschungsprojekt EcoImpact zu untersuchen.
Hypothesen und Ziele
Mit einer Kombination von Feldstudien und experimentellen Ansätzen wurden in EcoImpact 1 die folgenden Hypothesen getestet:
- Der Eintrag von MV aus ARAs führt zu Veränderungen, die über die Effekte anderer Bestandteile des Abwassers wie Nährstoffe hinausgehen (zum Beispiel der Verlust und die Abnahme sensitiver Arten unterhalb der Einleitungsstelle oder induzierte Toleranz gegenüber MV).
- Es gibt indirekte Effekte von MV, die von biologischen Interaktionen vermittelt werden, die über die direkten Effekte von MV auf Schlüsselorganismen und Schlüsselfunktionen hinausgehen.
Das Projekt EcoImpact 1 verfolgte drei Ziele:
- Herstellung kausaler Zusammenhänge
Die Eawag untersuchte, ob ökologische Unterschiede zwischen verschiedenen Standorten auf unterschiedliche Expositionen gegenüber (spezifischen) Gruppen von MV zurückzuführen sind. Die Auswirkungen von MV sollen von denjenigen anderer Einflussfaktoren abgegrenzt werden. - Integration
Das Projekt umfasste eine Vielzahl molekularer, physiologischer und ökologischer Endpunkte und integrierte die verschiedenen Messungen, Beobachtungen und Muster. - Erarbeitung von allgemeingültigen Aussagen
Das Projekt zielte nicht auf spezifische Aussagen für bestimmte Standorte, sondern auf allgemeingültige Aussagen.
Feldstudie und Untersuchungsstandorte
Dieser Ansatz untersuchte unter Anwendung anerkannter Methoden die Parameter der Wasserqualität, verschiedene biologische Endpunkte, die Biodiversität und funktionelle Merkmale an ausgewählten Standorten. Die 24 ausgewählten Flussstrecken ober- und unterhalb von ARA-Ausläufen befinden sich im Schweizer Mittelland und im Jura. Ziel der Studie war die Untersuchung der biologischen Auswirkungen von geklärten Abwässern im Allgemeinen und von MV im Besonderen sowie die Schaffung einer Datenbasis um die künftigen Veränderungen infolge der aufgerüsteten ARAs zu überwachen.
Die Auswahl der untersuchten Standorte beruhte auf den folgenden Kriterien:
- Nur Fliessgewässer werden als Gewässer betrachtet, keine Seen
- Kein Abwasserauslauf oberhalb der ausgewählten ARAs
- Bei trockenem Wetter sind mindestens 20% der gesamten Abflussmenge Abwasser der ARA (Q347)
- Siedlungsfläche im Einzugsgebiet < 21%
- Flächenanteil Reben und Obst im Einzugsgebiet < 10%
Experimentelle Ansätze
Um den Einfluss verschiedener Umweltfaktoren auf die Struktur und Funktion aquatischer Ökosysteme auseinanderzuhalten, braucht es Experimente. Um die besondere Rolle von MV zu studieren, haben wir sowohl kleinräumige Experimente im Labor durchgeführt als auch Maiandros entworfen – ein System von Durchflussrinnen, welches nach der griechischen Gottheit Μαίανδρος des Flusses Mäander (in der heutigen Türkei) benannt ist.
Im Maiandros-System können verschiedene Organismen vier unterschiedlichen, kontrollierten Wasserqualitäten ausgesetzt werden. Dazu wurde Maiandros auf der ARA Fällanden (Schweiz) aufgebaut, wo verschiedene Experimente durchgeführt wurden. Einerseits wurde die Wasserqualität durch die Vermischung von Flusswasser mit gereinigtem Abwasser in verschiedenen Mischungsverhältnissen variiert. Andererseits wurde Flusswasser mit ausgewählten Nährstoffen und/oder Mischungen von MV versetzt, um etwaige gegenteilige Effekte von Nährstoffen und MV auseinander zu halten.
Resultate
Die bislang erhobenen Ergebnisse zeigen, dass MV Auswirkungen auf Fliessgewässer-Ökosysteme haben. Bei allen Feldstandorten hat die Abwassereinleitung die Fracht und die Konzentrationen von MV in den Flussabschnitten unterhalb der ARA erhöht. Biologische Tests zeigen, dass diese Konzentrationen die ökotoxikologischen Effekte an verschiedenen Endpunkten erhöhen, sodass zum Beispiel die Photosynthese stärker gehemmt wird. Flussabwärts gelegene Peryphytongemeinschaften (Biofilm aus Algen, Bakterien und Pilzen) sind toleranter gegenüber diesen MV und Bachforellen induzierten an ausgewählten Standorten die Expression von Genen, die für Entgiftungs-Aktivitäten benötigt werden. All diese Resultate zeigen, dass MV in den Organismen physiologischen Stress induzieren. Solche Effekte wurden auch bei Makroinvertebraten beobachtet. Insbesondere Arten, die sensibel auf Pestizide reagieren, waren an flussabwärts gelegenen Standorten dezimiert. Das Abwasser und möglicherweise auch die MV beeinflussten auch Ökosystemfunktionen wie den Blattabbau.
Im Maiandros-Rinnensystem wurden Experimente durchgeführt, die es erlaubten, einige der komplexen Prozesse aus den Feldstudien zu entflechten. Abbautests mit Baumwollstreifen haben zum Beispiel gezeigt, dass Nährstoffe die toxischen Effekte von MV ‚verbergen’. Die Resultate aus der Feldstudie und dem Rinnensystem werden nun miteinander verglichen, um die im Feld beobachteten Muster besser zu verstehen.
Publikationen
Die folgenden ausgewählten Publikationen stammen aus dem Projekt EcoImpact oder sind stark mit dem Thema verknüpft.
Das Projektteam
Projektmanagement
Projektleiter: Christian Stamm
Das Projektteam
Das Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des erweiterten Projektteams durchgeführt, das sich aus Vertretern der verschiedenen Disziplinen der Eawag und dem Oekotoxzentrum der Eawag/EPFL zusammensetzt.
Dr. Francis J. Burdon
ehemaliger Eawag PostDoc
in EcoImpact 1
Die verschiedenen Projektaufgaben werden von Arbeitsgruppen mit wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitenden aus allen Funktionsebenen ausgeführt und von einem Gruppenleiter überwacht.
Forschungspartner
Assoc. Prof. Scott D. Tiegs, Biological Sciences, Oakland University, Michigan, USA
Dr. Yaohui Bai, Research Center for Eco-Environmental Sciences, Chinese Academy of Sciences, Beijing, China
Wissenschaftliche Beratungskommission
Prof. Dr. R. Brouwer
Professor in Environmental Economy, University of Waterloo, Canada
Prof. Dr.-Ing. Martin Jekel
Professor in Environmental Engineering, Technical University, Berlin, Germany
Dr Pim E.G. Leonards
Senior researcher department of Chemistry and Biology, Vrije Universiteit, Amsterdam, The Netherlands
Dr. Guy Woodward
Reader in ecology, Imperial College, London, England