NAWA SPEZ
Untersuchungen zur Pestizidbelastung in Oberflächengewässern
Die Belastung unserer Gewässer mit organischen Mikroverunreinigungen stellt eine Herausforderung für den Gewässerschutz dar. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und die Kantone haben mit der Nationalen Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA) ein Messprogramm geschaffen, um den Zustand und die Entwicklung der Schweizer Oberflächengewässer beurteilen zu können. Im Rahmen dieses Messprogramms werden zu verschiedenen Aspekten auch Spezialuntersuchungen durchgeführt. In den Jahren 2012, 2015 und 2017 wurden in drei Messkampagnen Art und Umfang der Gewässerbelastung mit Bioziden und Pflanzenschutzmitteln (PSM) untersucht und bewertet.
Neueste nationale und internationale Studien haben gezeigt, dass insbesondere die für aquatische Organismen toxischen Pyrethroid- und Organophosphat-Insektizide die Gewässerqualität bereits in sehr geringen Konzentrationen negativ beeinträchtigen können. Aus diesem Grund haben der Bund und die Kantone die Messungen dieser Insektizide in Schweizer Gewässer in den letzten Jahren intensiviert. Allerdings ist bisher noch nicht vollständig bekannt, inwieweit auch weitere bisher kaum untersuchte Insektizidwirkstoffe in Schweizer Fliessgewässer auftreten. Ausserdem ist bisher unklar, ob auch gereinigtes Abwasser als Eintragspfade für diese Stoffe ins Gewässer von Bedeutung ist. Aus diesem Grund soll in einer gross angelegten Spezialuntersuchung im Jahr 2023 an fünf Standorten in der Schweiz (vgl. Übersicht Karte) ein möglichst vollständiges PSM- und Biozidspektrum in landwirtschaftlich und siedlungsgeprägten Einzugsgebieten über den gesamten Applikationszeitraum untersucht werden. Neben den Messungen im Fliessgewässer werden auch Untersuchungen im gereinigten Abwasser der Kläranlagen durchgeführt, die ihr Abwasser in die zu untersuchenden Fliessgewässer einleiten.
Standorte NAWA Spez23
Karte: Bundesamt für Landestopographie
Einzugsgebiete: BAFU 2019: Teileinzugsgebiete 2 km2
Landnutzungsinformationen: BAFU 2013: Gewässerabschnittsbasierte Einzugsgebietsgliederung der Schweiz (GAB-EZGG-CH)
Kläranlageninfos: Kennzahlenerhebung Abwasserreinigung des Bundes, 2021
Ziel der NAWA Spezialkampagne 2023 ist es damit
- die Belastung kleiner bis mittelgrosser Fliessgewässer mit Pflanzenschutzmittel (PSM) und Bioziden, insbesondere mit Insektiziden, möglichst umfassend zu ermitteln und
- gereinigtes Abwasser, zusätzlich zu den diffusen Einträgen von landwirtschaftlich genutzten Flächen als möglichen Eintragspfad für PSM und Biozide zu erfassen.
So können Hinweise auf die Anwendung von PSM und Bioziden in Landwirtschaft und Siedlung erhalten werden. Vor allem der Fokus auf insektizide Wirkstoffe soll hierbei Beobachtungslücken im Bereich von besonders toxischen Einsatzstoffen schliessen. Hierzu werden zum einen lückenlose Beprobungen der ausgewählten Fliessgewässer und Kläranlagen über den gesamten Applikationszeitraum mit Zweiwochenmischproben durchgeführt. Zum anderen werden neueste, spurenanalytische Nachweismethoden zum sensitiven und umfassenden Nachweis eingesetzt. Die verwendeten Analysenmethoden erlauben eine Quantifizierung im tiefen pg/L Konzentrationsbereich und ermöglichen damit auch die Erfassung von Wirkstoffen, die bereits in sehr tiefen Konzentrationen toxisch auf die Wasserorganismen wirken.
Die nachfolgende Tabelle fasst die Untersuchungsschwerpunkte aller bisher durchgeführten NAWA Spezialuntersuchungen im Bereich PSM und Bioziden zusammen. Die Studien wurden jeweils in enger Zusammenarbeit von Eawag, den Kantonen (vgl. Kantonale Gewässerschutzfachstellen), dem VSA, dem Ökotoxzentrum und dem BAFU durchgeführt und sind in Umfang und Tiefe bisher einzigartig. Die Bewertung der Messergebnisse wurde jeweils anhand der gültigen gesetzlichen Vorgaben und anhand ökotoxikologisch hergeleiteter Qualitätskriterien (QK) vorgenommen.
Messkampagnen und Hauptfokus
NAWA SPEZ 2017: Kleine Fliessgewässer - chemische und ökotoxikologische Methoden
NAWA SPEZ 2017 legt den Fokus erneut auf die Pflanzenschutzmittel-Belastung in kleinen Fliessgewässern in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten. Zwei von fünf Gebieten werden nach 2015 erneut beprobt, was erstmals auch Vergleiche zwischen den Erhebungsjahren ermöglicht. Aufgrund der Erfahrungen in den beiden Vorgängerstudien wurde die Messdauer um zwei Monate ausgedehnt, sodass nun von Anfang März bis Ende Oktober gemessen wird. Es werden 3 ½-Tagesmischproben genommen und auf PSM untersucht. Der Schwerpunkt von NAWA SPEZ 2017 wird beim ergänzenden Einsatz chemischer und biologischer Methoden liegen.
Publikationen
NAWA SPEZ 2015: Kleine Fliessgewässer - Überblick zur Pestizidbelastung
Eine frühere Auswertung der bisher in der Schweiz erhobenen Daten zur Pestizidbelastung zeigte, dass nur 20% der Messwerte von kleinen Fliessgewässer stammen, obwohl diese 75% der Fliessstrecke des Schweizer Fliessgewässernetzes ausmachen (Munz et al. 2012). Zudem war die zeitliche Abdeckung der Messkampagnen häufig begrenzt oder beschränkte sich auf Stichproben. Ziel der zweiten NAWA SPEZ Studie war deshalb diese Lücke zu schliessen.
Fünf kleine Gewässer mit landwirtschaftlicher Nutzung wurden auf 213 PSM-Wirkstoffe gescreent. Es wurde mit einer variablen zeitlichen Auflösung gearbeitet, wobei bei Regenereignissen Halbtagesmischproben und in Trockenperioden längeren Mischproben (24-Stunden- bis maximal 24-Tage) untersucht wurden. Mit der verwendeten Analytik liessen sich 70 % der im Jahr 2015 zugelassenen PSM messen. Ergänzend wurden auch eine Reihe nicht mehr zugelassener PSM gemessen, die wegen deren langsamen Abbaubarkeit nach wie vor nachgewiesen werden.
Insgesamt wurden 128 PSM nachgewiesen. Chronische Qualitätskriterien wurden in allen Einzugsgebieten überschritten und in vier Einzugsgebieten wurden auch akute Qualitätskriterien überschritten. Der Vergleich mit NAWA SPEZ 2012 zeigte, dass die Schadstoffspitzen in kleinen Gewässern zwar von kürzer Dauer sind aber die Konzentrationen dafür höher sind. Die Überschreitungen akuter Qualitätskriterien sind zu einem relevanten Teil auf diesen Effekt zurückzuführen.
Die untersuchten Gebiete wiesen eine vergleichsweise intensive landwirtschaftliche Nutzung auf. Anhand von Abschätzungen liess sich zeigen, dass in weniger intensiv genutzten Gebieten die Belastung zwar tiefer sein dürfte, dass Effekte auf empfindliche Gewässerorganismen aber auch dort nicht ausgeschlossen werden können. Was die Empfehlungen für das Routinemonitoring betrifft, liess sich zeigen, dass es möglich ist, auch mit reduziertem Aufwand einen substantiellen Anteil der Belastung zu erfassen. So lassen sich mit den 41 PSM-Wirkstoffe, die im Beurteilungskonzept für diffuse Einträge vorgeschlagen wurden, 72% der chronischen und 87% der durch PSM verursachten akuten QK-Überschreitungen nachweisen. Wichtig ist, dass die Messungen eine ausreichende Zeitdauer abdecken, denn in gewissen Einzugsgebieten wurden auch am Ende der Messkampagne noch steigende Konzentrationen gemessen.
Publikationen
NAWA SPEZ 2012: Mittelgrosse Fliessgewässer - Überblick zur Pestizidbelastung
Ziel der ersten NAWA SPEZ Studie war ein fundiertes Bild zu erhalten, welche Stoffe am meisten zur stofflichen Belastung beitragen. Fünf mittelgrosse Gewässer wurden mit Zweiwochenmischproben auf Biozide und PSM gescreent. Die umfassende Analytik ermöglichte es, 81% aller polaren organisch-synthetischen Biozide und 91% aller polaren organisch-synthetischen PSM zu messen.
Insgesamt wurden 104 Pestizide nachgewiesen. Bei 82 Wirkstoffen handelte es sich um reine PSM, bei 20 um doppelte zugelassene Wirkstoffe (sowohl PSM als auch Biozid) und bei 2 um reine Biozide. Chronische Qualitätskriterien waren in allen Einzugsgebieten überschritten. Die Ergebnisse der Studie unterstrichen die hohe Relevanz der PSM für die stoffliche Belastung von Oberflächengewässern. Die gewonnen Informationen waren zentral für das von der Eawag und dem Ökotoxzentrum entwickelte Beurteilungskonzept Mikroverunreinigungen in dem die für das Routinemonitoring prioritär zu untersuchenden Substanzen bestimmt wurden.