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Antibiotikaresistente Keime im Abwasser

6. Juni 2024 | Cornelia Zogg

Antibiotikaresistente Bakterien sind weltweit eine Gefahr für die Gesundheit. Umso wichtiger ist es, ihre Verbreitung nicht nur zu verfolgen, sondern auch Trends zu erkennen. Forschende der Eawag haben über ein Jahr das Abwasser aus sechs Kläranlagen in der Schweiz auf die Verbreitung antibiotikaresistenter Colibakterien untersucht. Die Studie zeigt, dass die Überwachung des Abwassers dabei helfen kann, Trends und regionale Unterschiede unabhängig der effektiven Krankheitsfälle zu beobachten. Sie liefert zudem Grundlagen für Präventionsmassnahmen.

Die Problematik von antibiotikaresistenten Bakterien ist bekannt und stellt eine wachsende Gefahr dar, die bereits jetzt weltweit Millionen an Todesopfern fordert. Über die Verbreitung solcher resistenten Bakterien ist jedoch wenig bekannt. Bisherige Schätzungen beziehen sich hauptsächlich auf Fälle, bei denen im Krankheitsfall im Spital eine Resistenz festgestellt wird. Ob und wie viele Personen in der Bevölkerung jedoch antibiotikaresistente Keime in sich tragen, ist schwer einzuschätzen. «Messungen im Abwasser können Licht ins Dunkel bringen», so Sheena Conforti, vom Wasserforschungsinstitut Eawag.  

Während einem Jahr hat das Team rund um Conforti wöchentlich das Abwasser von sechs Kläranlagen in der ganzen Schweiz untersucht. Bei den Proben legten die Forschenden den Fokus auf Escherichia coli–Bakterien, insbesondere auf das antibiotikaresistente ESBL- E. coli. Bei durchschnittlich 1.9% der gefundenen E. coli -Bakterien handelte es sich tatsächlich um die resistente ESBL-Variante. «Dieser Wert liegt im unteren Bereich von in bisherigen Studien publizierten vergleichbaren europäischen Daten, die von 1.6% in Griechenland bis zu 4.4% in Deutschland reichen», ordnet Conforti ein.

Nebst dem Schweizer Durchschnittswert von 1.9% konnte das Team allerdings aufgrund des Standorts der Kläranlagen weitere Erkenntnisse gewinnen. Zürich, Genf und Lugano wiesen eine signifikant höhere Anzahl an ESBL-E. coli im Abwasser auf, als Proben aus beispielsweise Chur. Das führt die Forscherin auf mehrere Faktoren zurück. Zum einen behandeln Kläranlagen in grösseren Städten das Abwasser aus entsprechend dichter bevölkerten Einzugsgebieten, zum anderen ist es nur logisch, dass die Verbreitung von übertragbaren Bakterien in diesen dicht besiedelten Gebieten höher ausfällt. Ausserdem verfügen Genf wie auch Zürich über internationale Flughäfen, sowie zahlreiche Spitäler und Kliniken. Beides fördert die Verbreitung von resistenten Bakteriensträngen. «Unsere Resultate betonen das Potenzial von Abwasser als Indikator für die Verbreitung von ESBL-E. coli in der Bevölkerung», so Conforti.
 

Abwasserdaten als Berechnungsgrundlage für die Anzahl betroffener Personen

Die Studie weist auch auf die Notwendigkeit zusätzlicher Forschung hin, um die mögliche Anzahl betroffener Personen in der Bevölkerung genauer zu bestimmen. Dazu fehlt ein wichtiger Faktor: Das Verhältnis von resistenten E. coli zu behandelbaren E. coli-Bakterien im Darm der betroffenen Personen (die Forschenden sprechen von Abwurflast), und die Frage, ob dieses Verhältnis bei allen Trägerinnen und Trägern ähnlich ist. Mit diesem Wert liessen sich zusammen mit den Daten aus dem Abwasser ableiten, wie viele Personen im Einzugsgebiet der Kläranlage Träger von resistenten Bakterien sind. Umgekehrt liesse sich die Abwurflast mit Hilfe der Abwasser-Daten errechnen, wenn die tatsächliche Anzahl betroffener Personen bekannt wäre.

Für beide dieser Faktoren – Abwurflast und Trägerzahl – gibt es bisher nur Schätzungen und Daten aus anderen Ländern. Diese bewegen sich in einem Streubereich: Beispielweise geht man in Europa davon aus, dass 6% der Bevölkerung Träger von antibiotikaresistente ESBL-E. coli sind, was zusammen mit den Daten aus dem Schweizer Abwasser zu einer Abwurflast von 32% in Schweizer Betroffenen führen würde. Rechnet man mit einem Wert zu Abwurflast aus einer Studie aus Bangladesch (19%) mit den Abwasserdaten für die Schweiz um, wären rund 10% der Schweizer Bevölkerung von resistenten E. coli betroffen. Weder für die Abwurflast, noch für die Anzahl betroffener Personen gibt es allerdings Zahlen aus der Schweiz. Diese Werte sind daher Schätzungen. 

Monitoring für die Früherkennung

Auch die Messfrequenz kann einen Einfluss auf die Resultate haben, wie das Team festgestellt hat. In bisherigen europäischen Vergleichsstudien wurden zwar auch schon Proben aus Kläranlagen untersucht, allerdings teilweise nur einmal pro Saison. Dies führt zu weniger genauen Ergebnissen, denn Temperatur- und Wetterverhältnisse können die Daten verzerren. Engmaschige Kontrollen sind jedoch aufwändig und teuer. Der ideale Wert liegt daher gemäss Conforti bei ein bis zweimal pro Monat. Dies kann relevant sein, sollte die regelmässige Abwassermessung in nationale Monitoring-Bestrebungen aufgenommen werden.

Unterstützt wurde die Arbeit der Eawag-Forschenden unter anderem vom Schweizerischen Nationalfonds sowie vom Bundesamt für Gesundheit. Die kürzlich in der Zeitschrift mSphere der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie publizierte Studie stösst auf breites Interesse. Mittlerweile hat Conforti das Monitoring der Abwasserproben auf weitere potentiell resistente Erreger ausgeweitet. Dazu gehören MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokken), VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) sowie CRE (Carbapenem-resistente Enterobakterien). Von diesen Erregern geht mittlerweile eine ähnliche Gefahr aus wie von resistenten E. coli-Bakterien. Umso wichtiger ist es, auch deren Verbreitung zu überwachen. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Behandlung von AMR-Infektionen in Kliniken, bringt das Monitoring im Abwasser zumindest erste Anhaltspunkte und könnte dabei unterstützen, frühzeitig Präventionsmassnahmen zu lancieren.

Titelbild: Eawag-Forscherin Sheena Conforti bei der Bestimmung der Bakterien in den analysierten Abwasserproben (Foto: Eawag, Melissa Pitton).

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