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Atom-Endlager müsste auch Eiszeit überstehen
12. November 2024 |
Ein Team von Forschenden des Wasserforschungsinstituts Eawag, der ETH sowie der beiden Universitäten Basel und Bern untersuchte die Sedimente, welche die nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra, in der Nähe des Städtchens Bülach im Zürcher Unterland erbohrt hat. Der Bohrkern ist 278 Meter lang und erzählt fast die ganze geologische Geschichte des Quartärs, der jüngsten 2,6 Millionen Jahre der Erdgeschichte.
Ur-Greifensee reichte bis Bülach
Besonders interessiert waren die Forschenden an den Sedimenten, die sich in einem langgezogenen See abgelagert hatten, der bis nach Bülach gereicht haben muss – gewissermassen einem Ur-Greifensee. Dieser Ur-Greifensee-Trog wurde vom Eis der Alpengletscher ausgehobelt. Der entstandene See wurde dann aber mit Ablagerungen aufgefüllt. Die zwei Fragen, die sich den Forschenden stellten: Wie alt ist der Trog? Und wurde er während späteren Gletschervorstössen erneut ausgeräumt? Denn auch wenn aktuell alle Klima-Signale auf Erwärmung stehen, könnte irgendwann ja wieder eine Kaltzeit kommen. Immerhin sollte ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle über eine Million Jahre lang sicher sein – auch vor erneuten Gletschervorstössen.
Ausdehnung und Tiefe der Gletschertröge aus dem Quartär. Der Kreis (QHST) bezeichnet die Bohrstelle (Quelle: aus der Publikation).
Porenwasser als Schlüssel
Für die Altersbestimmung der Sedimente nutzten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter eine raffinierte Methode: Sie bestimmten die Konzentrationen von Helium-4 in kleinsten Mengen Wasser aus dem Porenraum der Ablagerungen. Denn mit dem Zerfall von Uran und Thorium im Porenwasser reichert sich das stabile Helium-4-Isotop an. Und weil der Zerfall in einem definierten Tempo erfolgt, kann auf den Zeitpunkt geschlossen werden, wann das Wasser im Sediment eingeschlossen wurde.
Soeben wurden die Resultate im Fachblatt «Geology» publiziert: Rund 600'000 Jahre alt sind demnach die datierten Sedimentlagen im Ur-Greifensee. Die Genauigkeit der Analyse ist mit plus oder minus 120'000 Jahren zwar mittelmässig, aber so weit zurück hat noch nie jemand solche Ablagerungen datiert. Und vor allen Dingen reicht die Genauigkeit als Beweis aus, dass die Sedimente deutlich älter sind als die Gletschervorstösse der letzten Kaltzeit. Die von den Experten als Strassberg-Trog bezeichnete Mulde im Festgestein wurde also später nie mehr weiter ausgehobelt. Der über 500 Meter tiefer liegende, vor rund 174 Millionen Jahren abgelagerte Opalinuston, ist ungestört. Oder mit anderen Worten: Selbst ein vorwitziger Vorstoss des Rhein-Linthgletschers aus dem Bündner- und dem Glarnerland würde nach aktuellem Stand des Wissens nicht ausreichen, den vielleicht einmal im Opalinuston deponierten Atommüll auszugraben.
Titelbild: Ein Teil des Bohrkerns aus dem Ur-Greifensee (Foto: Yama Tomonaga, Eawag, Uni Basel).
Originalpublikation
Finanzierung / Kooperationen
- Eawag
- ETH Zürich
- Universität Basel
- Universität Bern
- Nagra