News

Biologischer Abbau von Mückenschutzmitteln erst teilweise geklärt

22. August 2024 | Cornelia Zogg

Mikroorganismen in Biofilmen in Flüssen können Schadstoffe abbauen. Einige sind auch in der Lage, Biozide abzubauen, unter anderem das Insektenabwehrmittel Diethyltoluamid (DEET) – so vermutet man zumindest. Forschende des Wasserforschungsinstituts Eawag haben nun herausgefunden, dass DEET besser abgebaut wird, wenn der Anteil an gereinigtem Abwasser im Gewässer hoch ist. Sie machen dafür spezifische Enzyme verantwortlich, die vor allem dort vorkommen, wo Kläranlagen das Wasser ins Gewässer zurückleiten. Eindeutig identifizieren konnten sie diese Enzyme aber erst im Ansatz.

Wenn Abwasser aus der Kläranlage zurück in den Fluss geleitet wird, ist die Reinigungsarbeit längst nicht getan. Mikroorganismen im Wasser zersetzen verbliebene Fremdstoffe und Verschmutzungen im Wasser. Eines der Biozide, das als biologisch abbaubar gilt, ist Diethyltoluamid (DEET). Es kommt in Mückenschutzmitteln vor und gehört zu den am häufigsten gemessenen organischen Chemikalien in Oberflächengewässern – auch in der Schweiz. Doch bislang ist wenig darüber bekannt, unter welchen Begebenheiten DEET abgebaut wird. Auch deutet die Tatsache, dass es in fast allen Gewässern der Schweiz über längere Zeiträume nachgewiesen werden kann, darauf hin, dass es nicht so gut biologisch abbaubar ist, wie vermutet (siehe Infobox «DEET»).
 

Hoher Abwasseranteil = besserer Abbau

In der Folge des Projekts EcoImpact 2 haben Forschende der Eawag-Abteilungen Umweltmikrobiologie und Umweltchemie unter der Leitung von Serina Robinson und Kathrin Fenner nun herausgefunden, dass Biofilme in Gewässern mit einem höheren Anteil an Abwasser aus Kläranlagen besser in der Lage sind, DEET zu zersetzen (Desiante et al. 2022). Statt sich mit diesem Resultat zufriedenzugeben, ging das Team um Eawag Mikrobiologin Serina Robinson und den Erstautoren der Studie, Yaochun Yu, der Sache auf den Grund. Sie wollten diejenigen Enzyme finden, welche für den Abbau von DEET verantwortlich sind. Dazu haben die Forschenden die Umwelt-DNA aus Abwasser der Versuchsanlage an der Eawag sequenziert und sind auf tausende Enzyme gestossen, die sich besonders aktiv an Biotransformations-Prozessen beteiligen. Doch die Korrelation «Hoher Abwasseranteil = mehr Abbau-Enzyme = besserer Abbau von DEET» sagt nicht, welche der vielen Enzyme die Arbeit leisten.

Die wahren Abbauer noch nicht gefunden

Die Forschenden stellten 65 der tausenden in den Proben entdeckten Enzyme im Labor selbst her, um sie einzeln zu untersuchen und so herauszufinden, ob sie in der Lage sind, DEET zu transformieren. Als Kontroll-Enzym zogen sie ein bei früheren Studien bestätigtes Enzym bei, welches das Biozid zersetzen kann. Die Forschenden gingen davon aus, dass ähnliche Enzyme ebenfalls DEET abbauen können. «Zu unserer Überraschung war das allerdings nicht der Fall. Die in den Proben entdeckten ähnlichen Enzyme waren aktiv in anderen Funktionen, aber keines konnte DEET transformieren», so Robinson. Die Erkenntnis, dass selbst sich einander ähnliche Enzyme unterschiedliche Funktionen erfüllen, ist für die Forschenden spannend. «Es zeigt, dass das Prüfen von Hypothesen mit Experimenten entscheidend sein kann», so Robinson. «Da wo sich Annahmen als falsch erweisen, lernen wir».
 

«Da wo sich Annahmen als falsch erweisen, lernen wir».

Datenbank für die Zukunft

Trotz der Zusammenarbeit der beiden Eawag-Abteilungen Umweltmikrobiologie und Umweltchemie sind also im Fall von DEET die biochemischen Vorgänge in unseren Gewässern noch nicht zu hundert Prozent  verstanden. Mit der detaillierteren Analyse und Sequenzierung von Biofilmen könnte es künftig möglich sein, anhand der Zusammensetzung und Beschaffenheit der Mikroorganismen vorauszusagen, welche Stoffe in welchem Ausmass im Wasser abgebaut werden. Dieses Projekt haben die Forschenden ausschliesslich im Labor durchgeführt. Eine bereits laufende Folgestudie analysiert nun den Zusammenhang zwischen DEET und dessen Abbau in Gewässern mit Zuflüssen aus Kläranlagen direkt im Feld. Es ist Teil eines Projekts des Schweizer Nationalfonds (SNF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) von Eawag-Forscherin Kathrin Fenner und Michael Zimmermann vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL).

Ausserdem weitet das Team rund um Robinson die Sequenzierung und Analyse auf weitere Schadstoffe aus – beispielsweise fluorierte Verbindungen. Ziel ist es, eine möglichst ausführliche Datenbank über die Mikroorganismen und deren Aufgabe in der Umwelt zu erstellen. «Wenn die Politik Richtlinien für Biozide aufstellt, dann lohnt es sich zu wissen, was die Organismen in der Umwelt damit tun – oder in der Lage sind zu tun», sagt Robinson. Das kann Politik, Fachstellen oder Umweltverbände unterstützen, nachhaltige Massnahmen zur Bekämpfung von Schadstoffen in den Gewässern zu treffen.
 

Infobox DEET

Das Biozid Diethyltoluamid (DEET) wird weltweit in Mückenschutzmitteln verwendet und landet in der Umwelt. Es gehört zu den am häufigsten gemessenen organischen Chemikalien in Oberflächengewässern und lässt sich das ganze Jahr über nachweisen. Bislang ist noch wenig bekannt über die Risiken für Mensch und Umwelt. Eine Studie mit Eawag-Forscher Heinz Singer hat das Vorkommen, den Verbleib und die Emissionsdynamik von DEET in der Schweiz zusammengefasst. Singers Schlussfolgerungen: Es kann nicht allein das vorwiegend in der warmen Jahreszeit verwendete Mückenschutzmittel für die hohe Konzentration in der Umwelt verantwortlich sein, und die DEET-Abbaurate in der Umwelt ist wohl nicht so hoch wie aus der Literatur erwartet. (Englisch)

Titelbild: Die meisten Mückenschutzmittel enthalten den Wirkstoff DEET (Foto: F.A.Z. Kaufkompass).

Originalpublikation

Yu, Y.; Trottmann, N. F.; Schärer, M. R.; Fenner, K.; Robinson, S. L. (2024) Substrate promiscuity of xenobiotic-transforming hydrolases from stream biofilms impacted by treated wastewater, Water Research, 256, 121593 (9 pp.), doi:10.1016/j.watres.2024.121593, Institutional Repository