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Bouziane Outiti gewinnt Energy Globe Award für Abwasserbehandlungsprojekt
2. Juni 2016 |
Die Geschichte beginnt ungewöhnlich: Bouziane Outiti, der Eawag-Preisträger des Energy Globe Awards, ist kein Forschender. Outiti arbeitet seit 28 Jahren als Informatiker an der Eawag. Vor acht Jahren gründete der gebürtige Marokkaner den Verein «Association Maroco-Suisse pour l’environnement et le développement» A.M.S.E.D. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die landesweiten Bemühungen Marokkos, die Wasserproblematik des Landes zu verbessern, zu unterstützen.
Als hauptberuflicher Informatiker ein Abwasserbehandlungsprojekt starten – wie kam es dazu?
Ich bin selber in Marokko aufgewachsen und kenne die sanitäre Situation, speziell in den ländlichen Gegenden, sehr gut. Die Wasser- und Abwasserproblematik in Marokko ist so gross, dass die Bemühungen der Regierung und der marokkanischen Zivilgesellschaft nicht genügen, um sie zu lösen. Beeinflusst durch mein Arbeitsumfeld an der Eawag gründete ich 2008 den Verein A.M.S.E.D. Damit haben wir eine Plattform geschaffen, um Projekte im Bereich der Wasserversorgung und Abwasseraufbereitung in Marokko mit internationalen Experten unterstützen zu können. Das Abwasserbehandlungsprojekt in Asselda entstand eher zufällig, initiiert von einer Studentin, die im Rahmen ihrer Masterarbeit auf die Abwasserproblematik des Dorfes gestossen ist.
Sie sprechen die Abwasserproblematik des Dorfes an. Wie muss man sich die Ausgangslage für Ihr Projekt vorstellen?
Die beiden Dörfer Asselda Eins und Asselda Zwei – der tatsächliche Name der Dörfer – liegen 50 Kilometer südlich von Marrakesch auf dem Gebiet der Gemeinde Asni, am Rande des Atlas-Gebirges. Rund 1200 Einwohner bewohnen die Dörfer, welche bis anhin bloss über eine behelfsmässige Kanalisation verfügten. Das Abwasser floss direkt in die Landwirtschaftszone (Obstplantagen) und in den benachbarten Fluss. Sie können sich vorstellen, wie stark die Gesundheit der Bewohner dadurch beeinträchtigt wurde. Für unser Projekt bot dies aber auch die Gelegenheit, ein für diese Umgebung bestmögliches Abwasserbehandlungssystem zu erarbeiten. Dank der grosszügigen Finanzierung durch die Zürcher Stiftung Drosos und der weitreichenden administrativen Unterstützung der Eawag gelang es, das Projekt mit unsern marokkanischen Partnern zu verwirklichen.
Wie sind die Arbeiten vor Ort vorangegangen?
Aus ursprünglich eingeplanten drei Jahren wurden sechs Jahre. Unser Projektteam vor Ort bestand aus einer jungen marokkanischen Ingenieurin und einer administrativen Assistentin, die mit der Provinzregierung, der Gemeinde, dem marokkanischen Bauunternehmer und dem Dorfverein (einer in Marokko weit verbreiteten Institution) zusammenarbeiteten. Für uns Schweizer mag dies nun ganz normal erscheinen, dass zwei Frauen ein solches Projekt leiten – in einem von Männern geprägten Umfeld wie dem berberischen Asselda ist es dies nicht. Auch gibt es in Dörfern wie diesen – die oft von ethnischen oder lokalpolitischen Konflikten geprägt sind – immer wieder Kommunikationsprobleme. Es ist enorm wichtig, dass man als Projekt mit ausländischen Experten den Dorfbewohnern auf Augenhöhe und mit Respekt entgegentritt. Hier nahm ich durch meinen berberischen Hintergrund oft, nein, sehr oft (lacht), die Vermittlerrolle ein.
Eine anspruchsvolle Aufgabe. Wie sieht das Abwasserbehandlungssystem heute konkret aus?
In den vergangenen fünf Jahren haben wir eine Kläranlage entwickelt, in der das Abwasser behandelt wird und das daraus entstehende gereinigte Wasser für die Bewässerung von Obstbäumen eingesetzt werden kann. Unser System beruht auf einer Kombination aus einer Schilfanlage und einem Abwasserteich. Mit Ausnahme des selbstauslösenden Siphons zur intermittierenden Beschickung der Pflanzenfilter und der Solarpumpe zur Bewässerung der Obstplantagen benötigt die Kläranlage weder mechanische Einrichtungen noch externe Energiezufuhr. Die Anlage ist weitgehend frei von Geruchsemissionen. Die Verfahrenskombination ist eine Neuheit in Marokko und der Prototyp in Asselda wurde schon von vielen Gemeinden besucht, die auch eine solche Kläranlage bauen wollen.
Nach dem Projekt ist vor dem Projekt: Wie geht es nun weiter?
Die Anlage ist fertig erstellt und seit Februar 2015 erfolgreich in Betrieb. In den vergangenen acht Monaten wurden monatliche Wasseranalysen gemacht. Die Leistung der Anlage entspricht unseren Erwartungen. und die Ablaufwerte erfüllen die WHO-Richtlinien für die Abwasserbewässerung von Obstbäumen. Es besteht ein Pflichtenheft für Betrieb und Unterhalt der ARA und des Kanalisationssystems. Die zuständigen Verantwortlichen des Dorfvereins und der Klärwärter kennen ihre Aufgaben. Ein weiterer wichtiger und auch delikater Schritt steht aber noch bevor: Die Übergabe der Anlage an die Gemeinde und somit der Übergang in den regulären Betrieb und der damit verbundenen Verantwortung und Budgetierung für Betrieb und Unterhalt der ARA und der Kanalisation. Gerade bei Projekten in ländlichen Gebieten, ist damit oft ein Risiko verbunden. Wir haben aber gute Partner vor Ort, welche uns dabei unterstützen, dass die Abwasseraufbereitungsanlage auch in Zukunft gut geführt und das Leben der Einwohner weiter verbessert wird.
Bleibt zwischen den letzten Vermittlungsarbeiten auch noch etwas Zeit, die Erfolge des Projektes zu feiern?
Natürlich. Wir freuen uns auch enorm über den Energy Globe Award, rechnet man doch zu Beginn eines Projektes nie mit dem Gewinn eines solchen Preises. Wir sind enorm stolz auf die Leistungen aller Beteiligten, speziell auch auf die unserer marokkanischen Projektleiterinnen, die dieses Projekt in einer so männerdominierten Welt zum Erfolg geführt haben. Feiern werden wir sicher auch noch, wenn die Anlage offiziell eingeweiht wird – vielleicht sogar im Rahmen der COP-Konferenz in Marrakesch im November.