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Experten sammeln Infos zu Risiken von Covid-19 im Abwasser

28. August 2020 | Andri Bryner

Eben hat das Magazin Nature Sustainability einen Übersichtsartikel publiziert zu möglichen Risiken, welche Covid-19-Viren im Abwasser verursachen könnten. Prof. Eberhard Morgenroth (Leiter der Eawag-Abteilung für Verfahrenstechnik) ist Mitautor der Review. Wir haben ihm fünf Fragen gestellt.

Am review-paper “Rethinking wastewater risks and monitoring in light of the COVID-19 pandemic” (Die Risiken von Abwasser und dessen Überwachung im Licht der Covid-19-Pandemie überdenken) haben 34 Autorinnen und Autoren aus aller Welt mitgeschrieben. Was war der Beitrag der Eawag?

Eberhard Morgenroth: Für den Mai 2020 war ich eingeladen, am «International Water Summit» an der Ben-Gurion University in Israel teilzunehmen. Hier sollten Zukunftsperspektiven für Wasser in unserer Gesellschaft diskutiert werden. Er musste wegen Covid-19 aber ausfallen. Ausgehend von der Gruppe der geladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist dieser Artikel entstanden. Eine vertiefte Evaluation von Ausbreitungspfaden von SARS-CoV-2 erfordert die Zusammenarbeit von unterschiedlichsten Fachrichtungen. Bei den Co-Autoren gab es eine Reihe von Fachleuten aus den Bereichen Mikrobiologie, Virologie, Hygiene. Mein Beitrag war, eine kritische Perspektive von heute schon umgesetzten und morgen möglichen Technologien in der Siedlungswasserwirtschaft einzubringen.

Bisher ging man davon aus, dass SARS-CoV-2 Viren oder Genbruchstücke davon zwar im Abwasser gefunden werden, dass aber kaum aktive also noch infektiöse Viren darunter befinden. Muss diese Einschätzung korrigiert werden?

In den Monaten seit dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie hat sich das Verständnis über die Ausbreitungspfade von SARS-CoV-2 stetig verändert. Es gibt heute noch keine Beweise, dass Abwasser eine relevante Quelle für die Ansteckung mit SARS-CoV-2 sein kann. Wir wissen aber, dass Viren im Abwasser grundsätzlich überleben können und wir auch deshalb beim Kontakt mit Abwasser vorsichtig sein müssen. Ziel der Review war zu evaluieren, inwieweit Abwasser auch für die Ansteckung mit SARS-CoV-2 relevant sein könnte. Hier gibt es eine Reihe von unbeantworteten Fragen zur Menge von infektiösen SARS-CoV-2 im Abwasser und zur minimalen Dosis für eine Ansteckung.

Im Artikel heisst es, dass SARS-CoV-2 Viren über Lecks oder bei Regenwetter aus der Kanalisation auch in natürliche Gewässer oder sogar ins Grundwasser gelangen und dort Reservoire bilden könnten. Müssen wir damit rechnen, dass das Virus also jederzeit aus solchen Depots zurückschlagen kann?

Viren haben in Gewässern und im Grundwasser eine begrenzte Lebensdauer. Die Lebensdauer hängt dabei von den Umgebungsbedingungen ab. Wie angesprochen, wissen wir noch nicht einmal, ob der (Ab)Wasserpfad überhaupt relevant ist für eine Ansteckung mit SARS-CoV-2. Wenn es sich herausstellt, dass der Wasserpfad relevant sein kann, dann braucht es immer noch eine Risikoabschätzung – davon sind wir noch weit entfernt.

Müssen die Verantwortlichen für den Betrieb von Kanalisationen und Kläranlagen aufgrund eurer Erkenntnisse nun neue Massnahmen treffen?

Die aktuellen Empfehlungen von WHO, CDC oder IWA* gehen immer noch davon aus, dass Abwasser keine relevante Quelle für Ansteckung mit SARS-CoV-2 ist. Für die Bevölkerung und auch für Personen, die mit Abwasser arbeiten (z.B. auf einer Abwasserreinigungsanlage oder in der Forschung an der Eawag), sind weiterhin die normalen Hygiene- und Arbeitsschutzmassnahmen einzuhalten.

Erschwert das SARS-CoV2-Virus die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser?

Für die Abwasserreinigung wäre es sehr relevant, wenn herausgefunden wird, dass Abwasser ein relevanter Pfad für die Ansteckung mit SARS-CoV-2 sein kann. Bei den meisten ARAs in der Schweiz werden Viren nicht gezielt entfernt. In einigen anderen Ländern wird Abwasser mit UV oder Chlor desinfiziert (z.B. USA). Aktuell gibt es für ARAs in der Schweiz keinen Handlungsbedarf wegen SARS-CoV-2. In Zukunft wird aber die hygienische Qualität von behandeltem Abwasser vermehr relevant sein – sei es wegen der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen oder wegen pathogenen Organismen, wie aktuell SARS-CoV-2. Neben Prozessen zur Desinfektion werden hier auch Membranverfahren relevant sein. Insbesondere wenn gereinigtes Abwasser wiederverwendet werden soll, steigen natürlich auch die Ansprüche an die Hygiene. Und ich sehe auch für die Schweiz, dass mittelfristig eine Wiederverwendung von Abwasser relevant sein wird.

*[WHO: Weltgesundheitsorganisation; CDC: Centers for Disease Control and Prevention (USA); IWA: International Water Association]

Titelbild: Eawag

Publikation

Bogler, A.; Packman, A.; Furman, A.; Gross, A.; Kushmaro, A.; Ronen, A.; Dagot, C.; Hill, C.; Vaizel-Ohayon, D.; Morgenroth, E.; Bertuzzo, E.; Wells, G.; Kiperwas, H. R.; Horn, H.; Negev, I.; Zucker, I.; Bar-Or, I.; Moran-Gilad, J.; Balcazar, J. L.; Bibby, K.; Elimelech, M.; Weisbrod, N.; Nir, O.; Sued, O.; Gillor, O.; Alvarez, P. J.; Crameri, S.; Arnon, S.; Walker, S.; Yaron, S.; Nguyen, T. H.; Berchenko, Y.; Hu, Y.; Ronen, Z.; Bar-Zeev, E. (2020) Rethinking wastewater risks and monitoring in light of the COVID-19 pandemic, Nature Sustainability, 3, 981-990, doi:10.1038/s41893-020-00605-2, Institutional Repository