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Genetik des Hochzeitskleids bestimmt, ob Arten koexistieren können
28. Mai 2020 |
Innerhalb von nur wenigen tausend Jahren entstanden in einigen ostafrikanischen Seen eine enorme Vielfalt an Buntbarschen. Die verschiedenen Arten besetzen viele unterschiedliche ökologische Nischen. Bis zu 50 Arten können im selben Lebensraum direkt nebeneinander auftreten, wozu sie ausgeprägte reproduktive Isolation aufweisen müssen. Das bedeutet, dass sich Individuen einer Art – in den allermeisten Fällen – nur mit ihresgleichen fortpflanzen. Trotzdem kommt es hin und wieder zu Verpaarungen zwischen nebeneinander lebenden, nahe verwandten Arten – und damit zum Austausch von Genen, auch Genfluss genannt. Tritt Genfluss wiederholt auf, ist zu erwarten, dass Arten wieder verschmelzen. Dies wurde bei den Victoriabuntbarschen hin und wieder auch tatsächlich beobachtet. In vielen anderen Fällen aber bleiben Arten bestehen. Wie lässt sich das erklären?
Um dieser Frage nachzugehen, untersuchte das Team um die Doktorandin Anna Feller und den Evolutionsbiologen Ole Seehausen von der Eawag und der Universität Bern mehrere hundert im Labor gezüchtete Buntbarschhybride. Die Hybride entstammen zwei verschiedener Kreuzungen. Das eine Artenpaar koexistiert im Victoriasee trotz gelegentlichem Genfluss nebeneinander, während das andere nicht direkt nebeneinander vorkommen kann. Beim Nachwuchs verglichen die Forschenden jene Bereiche im Genom, die die Ausprägung eines Schlüsselmerkmals der reproduktiven Isolation bestimmen: die männliche Hochzeitsfärbung. Denn die Weibchen weisen eine starke Präferenz für die Farbmuster ihrer eigenen Art auf, wie frühere Arbeiten in der Natur und im Labor zeigten.
«Wir finden einen klaren Unterschied in der Verteilung der Gene im Genom und den Effekten, die sie auf das Aussehen eines Buntbarschs haben», sagt Anna Feller. Das heisst: Bei den koexistierenden Arten bestimmen wenige Bereiche im Genom die Farbe des Hochzeitskleids. Bei den Arten, die nicht nebeneinander vorkommen, scheinen hingegen viele Genabschnitte eine Rolle bei der Farbgebung zu spielen. «Findet Genfluss statt, kommt es vermutlich weniger häufig zu Neukombinationen, wenn wenig Gene grosse Effekte auf die Färbung haben», so Anna Feller. So kann das Farbmotiv besser bestehen. «Bei vielen kleinen Effektgenen hingegen könnten Neukombinationen schneller zum Verlust der ursprünglichen Kombinationen führen». Die Forschenden schliessen daraus, dass die genetische Architektur von für die Artbildung wichtigen Merkmalen mitbestimmend sein kann, ob neue Arten auch ohne geographische Isolation entstehen und trotz gelegentlichem Genfluss koexistieren können.
Titelbild: Ole Seehausen, Eawag