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Nachhaltigkeitsziele gelten auch für die Schweiz

14. September 2023 | Andri Bryner

Ist von den Zielen für nachhaltige Entwicklung die Rede, den Sustainable Development Goals (SDGs), denken die meisten an Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern des globalen Südens. Doch die Agenda 2030 der UNO gilt genauso auch für die Schweiz, denn es ist nicht so, dass hierzulande alle 17 Ziele längst erfüllt wären. Am heutigen Eawag-Infotag hat das Wasserforschungsinstitut beispielhaft aufgezeigt, wo vor der Haustür angesetzt werden muss und was die Schweiz andernorts beiträgt, damit die Ziele schneller oder einfacher erreicht werden.

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung – 2015 von der UNO verabschiedet – gilt auch für die Schweiz. 2023 ist Halbzeit auf dem Weg zu den 17 darin festgelegten Zielen. Darunter befinden sich mehrere, die mit Wasser als Lebensmittel und Lebensraum zu tun haben. Das Wasserforschungsinstitut Eawag hat daher heute, Donnerstag, 14. September, am Standort Dübendorf gut 150 Fachleute aus Beratung, Verwaltung, Politik und Forschung informiert, wo in diesen Bereichen noch Arbeit ansteht, um 2030 ins Ziel zu laufen.

«Frieden ist eine sehr wichtige Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung.»
Daniel Dubas, Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030

Entwicklungsland Schweiz

Daniel Dubas, Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030, erläuterte zu Beginn der Fachtagung weshalb der frühere Fokus auf «Entwicklungsländer» heute überholt ist. Mit ihrem hohen Konsum, hohem Energie- und Ressourcenverbrauch sowie entsprechend sehr grossem CO2-und Wasser-Fussabdruck, könne auch die Schweiz als «Entwicklungsland» bezeichnet werden. So sei das Ausmass des Biodiversitätsverlustes in der Schweiz besorgniserregend. Zielkonflikte, zum Beispiel zwischen Pestizid- und Düngereinsatz in der Landwirtschaft und dem Umweltschutz, müssten überwunden werden, sagte Dubas und forderte eine Stärkung des Dialogs zwischen den Akteuren aus Forschung, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. «Der Weg stimmt, die Geschwindigkeit noch nicht», zog der Experte Bilanz, was den Kurs in Richtung des Zieljahrs 2030 betrifft. Als erhebliche Erschwernisse nannte er den Ukraine-Krieg: Frieden, so Dubas, sei Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung.
 

Schmutzwasser-Überlauf in die Gewässer verringern

Umweltingenieurin Lauren Cook von der Eawag präsentierte erste Ergebnisse aus Untersuchungen zu blau-grüner Infrastruktur, also zu Baumpflanzungen, neuen Wiesenflächen, Teichen und anderen Massnahmen, die Städte kühlen oder Regenwasser zurückhalten können. Blau-grüne Infrastruktur verringert so beispielsweise Überläufe von Schmutzwasser. Denn prasseln intensive Regenfälle auf versiegelte Flächen, vermag die Kanalisation nicht alles Wasser abzuleiten. Nicht nur Regen- sondern auch ungeklärtes Abwasser überläuft in Bäche und Flüsse. Am Beispiel der Zürcher Gemeinde Fehraltorf zeigte Cook auf, dass eine Abdeckung von 30 Prozent der Fläche im Siedlungs- und Industriegebiet mit blau-grüner Infrastruktur eine Reduktion dieser Überläufe um 80 Prozent erzielen könnte. «Gleichzeitig werden die Städte damit lebenswerter und die Massnahmen kommen auch der Biodiversität zu Gute. Das entspricht dem Nachhaltigkeitsziel elf», sagt Forscherin Cook.

Nach Arsen nun Nitrat-Hotspots vorhersagen

In zahlreichen Ländern der Welt, etwa Pakistan, China oder Argentinien und Mexiko, ist das Grundwasser bedingt durch die Geologie regional mit giftigem Arsen belastet. Eine Gruppe Forschender um Geochemiker Michael Berg und Umweltingenieur Joel Podgorski von der Eawag hat mit komplexen Computermodellen Karten erstellt, wo diese Risikozonen liegen. Denn an vielen Orten wird Grundwasser gepumpt und konsumiert, ohne dass es auf diesen Schadstoff untersucht wird. Die Experten schätzen, dass weltweit mehr als 200 Millionen Menschen arsenbelastetes Wasser trinken und damit ihre Gesundheit gefährden. Daher haben die Forschenden ihre Modelle kombiniert mit Zahlen zur Bevölkerungsdichte. So können sie aufzeigen, wo Massnahmen am dringendsten nötig sind. Die Gefahrenkarten sind, unterstützt von der Schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, über www.gapmaps.org  frei zugänglich.

Ihre Erfahrungen, mit vorhandenen Daten von Klima, Geologie, Böden und Landnutzung Risikogebiete für die Grundwasserbelastung zu lokalisieren, nutzen die Wissenschaftler zurzeit auch in der Schweiz. Allerdings steht hier nicht Arsen im Zentrum, sondern der Nährstoff Nitrat. «Dank rund 500 Messpunkten wissen wir zwar recht gut Bescheid, wo die Nitratwerte im Grundwasser zu hoch sind», sagt Podgorski, «doch dazwischen gibt es blinde Flecken.» Die Vorhersage von Nitrat-Hotspots soll nun helfen, das Messnetz zu optimieren und in Risikoregionen verstärkt den Dialog mit der Landwirtschaft zu suchen. «Bewährt sich die Nitratvorhersage im Schweizer Mittelland, könnten auch Länder von unserer Forschung profitieren, wo die Grundwasserüberwachung erst im Aufbau ist», hofft Podgorski.
 

Fäkalkeime mit Do-it-yourself-Box aufspüren

«Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle» lautet das Nachhaltigkeitsziel sechs. Nach wie vor, sind zu viele Menschen abhängig von zweifelhaftem Trinkwasser. So führen Fäkalkeime wie Coli-Bakterien zu Durchfallerkrankungen und beeinträchtigen Lebensqualität und Bildungschancen, vor allem in abgelegenen Gebieten. Laboreinrichtungen, um die Wasserqualität zu testen, fehlen. Forscherinnen und Forscher der Eawag-Abteilung Siedlungshygiene und Wasser für Entwicklung erarbeiten daher alltagstaugliche Lösungen, welche lokal erstellt und betrieben werden können. Stellvertretend hat die Trinkwasserexpertin Sara Marks am Infotag eine Do-it-yourself-Klimabox vorgestellt. Diese erlaubt es, Wasserproben zu lagern und das Wachstum von Mikroorganismen unter kontrollierten Bedingungen zu überwachen.
 

Titelbild: Das Thema «Wasser» zieht sich wie ein blauer Faden durch die verschiedenen SDGs, an denen sich auch die Forschung der Eawag orientiert (Aquarell: Eawag-Kommunikation / Philipp Ringli).