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Neue Leitung für die Fischereiberatung

13. Mai 2022 | Sibylle Hunziker, Andri Bryner

Seit dem 1. Mai 2022 leitet Andrin Krähenbühl die Fischereiberatungsstelle FIBER am Wasserforschungsinstitut Eawag in Kastanienbaum. Der Biologe und Angelfischer bringt Erfahrungen aus Forschung und Verbandsarbeit mit. Und er ist überzeugt, dass es allen dient, wenn die Institutionen gut zusammenarbeiten: der Fischerei, der Forschung und der Biodiversität.

Andrin Krähenbühl fischt seit seiner Kindheit. An der Universität Bern hat er Biologie studiert - mit viel Bezug zum Wasser und zur Eawag. Denn er wollte unbedingt einmal mit Wasser arbeiten. Für seine Masterarbeit hat er Artbildung und ökologische Anpassungen von Saiblingen in Grönland untersucht. An der Eawag-Abteilung für Gewässerökologie half er, das Nahrungsnetz der Schweizer Gewässer zu erforschen, und am Schweizerischen Kompetenzzentrum Fischerei in Bern hat er die Verbandsarbeit intensiver kennengelernt.

Aktive Basis

Daheim im Sportfischereiverein Schwarzenburg ist der Berner Jungfischerobmann; eben hat er die Ausbildung zum Instruktor für den vom Tierschutzgesetz vorgeschriebenen Sachkundenachweis (SaNa) abgeschlossen und seinen ersten Jungfischerkurs geleitet. Und als Vizepräsident der Fischereipachtvereinigung Bern hat er mit dem Besatz und der naturnahen Gestaltung von Pachtgewässern, mit Wanderhindernissen und Schwall-Sunk-Problemen zu tun.

„Die rund 30‘000 Mitglieder des Schweizerischen Fischereiverbandes SFV leisten in ihren Vereinen unheimlich viel Arbeit“, weiss Krähenbühl aus Erfahrung. „Das reicht von der Revitalisierung von Bächen und Gewässerputztagen über die Aufzucht von Besatzfischen bis zur Wissensvermittlung mit Fischereikursen und Öffentlichkeitsarbeit.“ Für ihn steht deshalb fest: „Für Fortschritte in der Förderung lebendiger Gewässer braucht es die Basis der aktiven Fischerinnen und Fischer.“

„Für Fortschritte in der Förderung lebendiger Gewässer braucht es die Basis der aktiven Fischerinnen und Fischer.“ Andrin Krähenbühl, FIBER

Forschung für die Praxis

Geforscht wird sehr viel. Doch oft würden spannende und für die Praxis relevante Erkenntnisse nicht verständlich weitervermittelt oder fänden aus anderen Gründen keinen Eingang in die Praxis, sagt Krähenbühl: „Die Arbeit für die FIBER, die Forschung und Praxis verknüpft, reizt mich deshalb ungemein.“

Seine Freizeit verbringt der begeisterte Fischer und Naturbeobachter meist am Neuenburgersee. Aber er erkundet auch gerne andere Seen – und probiert zu Hause Rezepte aus, für die es nicht unbedingt forellenartige „Edelfische“ braucht. So angelt er hin und wieder einen Alet oder einen Wels – gute Speisefische, die vom Klimawandel profitieren.

Vor einem Ausflug liest Krähenbühl oft in den Seenberichten des „Projet Lac“. „Da erfahre ich etwa, wie die Ufer aussehen, welche Fischarten ich antreffen kann oder wie sich die Arten und Altersklassen im See verteilen.“ Weil die Seenberichte wertvolle Daten für ein nachhaltiges Fischen oder auch für Fördermassnahmen liefern, werde er sicher an der FIBER damit arbeiten. „Und mit dem ‚Progetto fiumi‘ folgt ja nun schon bald das Pendent für die grösseren Flüsse.“

Fischerwissen für die Forschung

Besonders spannend findet Krähenbühl die FIBER, weil diese Stelle nicht als Einbahnstrasse konzipiert ist. „Es geht nicht nur darum, Forschungsresultate in der Praxis umzusetzen, sondern auch um den Einbezug der Basis in die Forschung“, erläutert Krähenbühl.

Als Vorbild für solche Citizen-Science-Projekte nennt er etwa das Seeforellenprojekt, das mit Hilfe von Fischern erforschte, wie Seeforellen in Vierwaldstättersee immer in ihre angestammten Zuflüsse zurückkehren – eine wichtige Erkenntnis für einen nachhaltigen Besatz. Oder das Flohkrebsprojekt, wo mit Hilfe von Brunnenmeistern in den letzten Jahren sogar neue Arten entdeckt worden sind.

Netzwerke nutzen

Aus Zeitgründen wird sich Andrin Krähenbühl zunächst auf die Zusammenarbeit mit den kantonalen Fischereiverbänden konzentrieren. Bereits in Planung ist ein Kurs zur Laichgrubenkartierung mit dem Solothurnischen Kantonalverband. Mit der Methode können Fischereivereine die Naturverlaichung von Forellen in Fliessgewässern, insbesondere in kleinen Bächen, beobachten und den Erfolg von Revitalisierungsmassnahmen kontrollieren. Das Interesse der Vereine an der Laichgrubenkartierung und der Weiterentwicklung der entsprechenden App kommt zur rechten Zeit. Die Bedeutung der kleinen Zuflüsse nimmt mit dem Klimawandel zu, weil sie meist höher gelegen oder besser beschattet sind und den Fischen kühle Rückzugsmöglichkeiten bieten.

Weiterhin möchte die FIBER eng mit dem Schweizerischen Fischereiverein SFV und dem Kompetenzzentrum Fischerei zusammenarbeiten. „So können wir hoffentlich Arbeit teilen und Synergien nutzen“, sagt Krähenbühl. Aber auch Vorschläge aus den Vereinen seien willkommen. Nicht organisierte Fischer versucht FIBER über Facebook, Instagram und Youtube zu erreichen.
 

www.fischereiberatung.ch

Seit 2004 betreiben das Bundesamt für Umwelt BAFU, der Schweizerische Fischereiverband SFV und das Wasserforschungsinstitut Eawag gemeinsam die Fischereiberatung FIBER, um den Dialog zwischen Forschung und Praxis zu fördern. Neben den Aktivitäten, die der Stellenleiter organisiert, erfolgt der Austausch auch in einer Lenkungsgruppe, in denen die Trägerinstitutionen, Vertreter der Kantone (JFK), des Schweizerischen Fischereiverbands SFV, sowie die Schweizerische Vereinigung der Fischereiaufseher SVFA vertreten sind. Kernthemen der FIBER waren von Anfang an Lebensräume und Biodiversität der Schweizer Gewässer, Bewirtschaftung und Fischereimanagement sowie der Einfluss des Klimawandels auf die Gewässer. Anfang April 2022 wurde erstmals ein Kurs über Fischnährtiere durchgeführt – ein Thema, für das sich immer mehr Fischerinnen und Fischer interessieren. Und künftig dürften auch invasive Arten die FIBER zunehmend beschäftigen.

Drei Fragen an den neuen FIBER-Leiter

Es gibt Fischer, die sagen, das Wasser wäre mittlerweile zu sauber, die Fische würden verhungern. Was sagen Sie dazu?
Andrin Krähnebühl: In vielen Seen hatten wir seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und teilweise bis heute sehr unnatürliche Zustände durch die Nährstoffeinträge aus Siedlungsabwasser und Landwirtschaft. Einzelne Fischarten wie zum Beispiel Barsche, Rotaugen und in einigen Seen auch oberflächennah lebende Felchenarten profitierten von diesen Bedingungen; andere, zum Beispiel Saiblinge und auch viele Felchenarten, haben gelitten. Etliche Arten sind ausgestorben. Kläranlagen und weitere Gewässerschutzmassnahmen haben der Überdüngung in den meisten Seen erfolgreich entgegengewirkt. Dadurch sind die Erträge zurückgegangen, aber die Biodiversität hat ganz klar davon profitiert. Dies sollte über den menschlichen Nutzungszielen stehen – auch, weil Biodiversität eine wichtige Ressource ist, wenn es um Anpassungen an den Klimawandel und andere Herausforderungen geht.

Wo kann die Forschung von Beobachtungen der Fischerinnen und Fischer profitieren?
Fischer:innen erkennen häufig vorhandene Missstände in den Gewässern, bevor der Alarm die Verwaltungen erreicht. Und sie wissen oft, wo gute und funktionierende Fliessgewässerstrecken sind und wo zum Beispiel Fische laichen. In der Planung von Forschungs- und Monitoringprojekten kann diese Lokalkenntnis sehr wichtig sein, um die richtigen Abschnitte für Erhebungen zu definieren.

Es gibt das Vorurteil, Fischer wollten nur möglichst viel Ertrag, nötigenfalls auch mit ausgesetzten, nicht einheimischen Fischen. Trifft das zu?
Unter Fischern gibt es sehr unterschiedlicher Ansichten. Die Unsicherheiten über die Zukunft der Fischerei sind mit der zunehmenden Erwärmung, vermehrten Winterhochwassern und der Gefahr der Sommertrockenheit gestiegen. Ich bin überzeugt, dass wir alles daransetzen müssen, das Überleben der lokalen Arten zu sichern und eine langsame, evolutive Anpassung an die veränderten Bedingungen zu ermöglichen.

Titelbild: Andrin Krähenbühl mit einem Hecht (Eawag)