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Schweizer Grundwasser, wie geht es dir?

18. März 2022 | Simone Kral

Wie steht es um das Grundwasser in der Schweiz? Darüber haben wir zum Weltwassertag mit Hydrogeologe Christian Moeck gesprochen, der sich als Mitarbeiter der Eawag-Forschungsgruppe Hydrogeologie mit den drängenden Herausforderungen rund ums Grundwasser beschäftigt und erforscht, wie man Grundwasser als Ressource schützen kann.

Herr Moeck, am 22. März ist Weltwassertag und dieses Jahr lautet das Motto «Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz». Was bedeutet das für Sie als Hydrogeologe und «Grundwasser-Forscher»?

Es ist gut, dass die Vereinten Nationen das Grundwasser in den Fokus rücken, da es in weiten Teilen der Gesellschaft oft vergessen wird und es gibt viele falsche Vorstellungen über seine Bedeutung. Das Grundwasser ist das grosse «unsichtbare» Element des Wasserkreislaufs und, weil es nicht sichtbar ist, hat es häufig einen viel zu kleinen Stellenwert. Dabei ist Grundwasser eine wichtige Ressource, denn es liefert den Grossteil unseres Trinkwassers und ist auch sehr wichtig für die Landwirtschaft und die Industrie. Es ist ausserdem eine geothermische Wärmequelle und steht in Wechselwirkung mit Flüssen und den dazugehörigen aquatischen Ökosystemen - um nur einige Beispiele zu nennen.

Welche Bedeutung hat Grundwasser in der Schweiz?

Grundwasser, einschliesslich Quellwasser, trägt zu 80 Prozent der Trinkwasserversorgung in der Schweiz bei und ist damit unsere wichtigste Trinkwasserressource. Ausreichend Grundwasser in bester Qualität zu gewinnen, galt lange als selbstverständlich. Auch heute kann man sagen, dass die Schweiz insgesamt ausreichend Wasser zur Verfügung hat. Trotzdem kann es bei längeren Trockenzeiten und gerade in kleineren Einzugsgebieten zu Wassermangel kommen. Grund dafür ist zu wenig Niederschlag (meteorologische Dürre), der zu einem Defizit bei der Grundwasserneubildung führen kann, was wiederum eine Absenkung des Grundwasserspeiegels und ein Defizit beim Grundwasserabfluss verursacht. Eine Grundwassertrockenheit entwickeln sich jedoch nur langsam aus einer meteorologischen Dürre.

Und wie geht es dem Grundwasser hierzulande?

Da das Grundwasser oft lange Aufenthaltszeiten im Untergrund hat, können die Grundwasservorkommen längere Trockenzeiten puffern, was vor allem aufgrund des Klimawandels immer wichtiger wird. Ausserdem unterliegen Temperatur und andere Parameter, wie elektrische Leitfähigkeit oder pH-Wert, im Grundwasser im  Jahresverlauf nur geringen Schwankungen. Lange Aufenthaltszeiten führen auch zur einer Selbstreinigung und Entfernung von Schadstoffen aufgrund physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse im Untergrund. Beides wichtige Faktoren für die Trinkwassergewinnung.

Inwiefern steht das Grundwasser in der Schweiz unter Druck?

Es wird erwartet, dass sich mit dem Klimawandel auch die Niederschlagsverhältnisse ändern werden. Voraussichtlich werden die mittleren Niederschläge in der Schweiz im Sommer tendenziell ab-, im Winter dagegen zunehmen. Da heute die Sommermonate in den meisten Landesteilen niederschlagsreicher sind als die Wintermonate, bedeutet dies auch eine Abflachung des Jahresgangs im Niederschlag und in der Grundwasserneubildung. Wärmere Temperaturen führen zu veränderter Schneeschmelze im Frühjahr, was den Wasserhaushalt zusätzlich verändert. Auch können Veränderungen der Abflüsse und der Wassertemperaturen in den Flüssen komplexe Auswirkungen auf die Grundwasserqualität haben und viele biologische, chemische und physikalische Grundwasserprozesse beeinflussen. Um mögliche negative Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren, müssen die Risiken und künftige Konflikte im Zusammenhang mit der Grundwassernutzung ermittelt und neue Anpassungs- und Minderungsstrategien entwickelt werden.

Auch kann die Grundwasserqualität durch Nitrat und Rückstände von Pflanzenschutzmitteln aus der landwirtschaftlichen Produktion nachhaltig beeinträchtig werden. Im Grundwasser treten zudem vermehrt Mikroverunreinigungen aus Industrie, Gewerbe und Haushalten auf. Zu den aktuellen Herausforderungen bei der Grundwasserqualität gehört der Eintrag von Nitrat und langlebigen Rückständen von Pflanzenschutzmitteln. Selbst nach langjährigen Verboten werden diese Rückstände noch im Grundwasser nachgewiesen. Beim Einsatz von Nitrat müssen wir umdenken und zum Beispiel nur so viel ausbringen, wie die Pflanzen auch bei der Fruchtfolge benötigen. Rest-Nitrat von vorhergehenden Bepflanzungen müssen erfasst und bei der nächsten Bepflanzung eingerechnet werden.

Auch ist die Stadtentwicklung oft mit Zersiedelung verbunden, was bedeutet, dass in vielen Fällen gesetzlich festgelegte Trinkwasserschutzzonen nicht mehr garantiert werden können. Die städtische Entwicklung kann sich auch auf die Grundwasserqualität auswirken, beispielsweise durch Verunreinigungen durch undichte Abwassersysteme oder Veränderungen der Grundwassertemperaturen durch geothermische Energienutzung. Es ist zwar klar, dass wir in hohem Masse von der industriellen Produktion abhängig sind und die Städte wachsen werden, doch birgt dies auch ein grosses Potenzial für die Verunreinigung des Grundwassers durch unbeabsichtigte Freisetzungen von verschiedensten Stoffen.

Und über die Schweiz hinaus betrachtet?

Auch global gesehen gerät das Grundwasser mehr und mehr unter Druck. Durch die ständig steigende Weltbevölkerung müssen immer mehr Nahrungsmittel produziert werden. Das geht mit einer Zunahme der Bewässerung einher, welche zum grossen Teil mit Grundwasser gedeckt wird. An vielen Orten in der Welt wird mehr Wasser aus dem Untergrund entnommen, als durch Niederschläge nachgeliefert wird. Das führt zu sinkenden Grundwasserspiegeln und auf längere Sicht zum Verlust dieser Ressource. Zusätzlich kann es zu Versalzung der Böden kommen, wenn ständig bewässert wird.

Die Eawag hat jüngst eine neue Plattform für Grundwasserthemen lanciert. CH-GNet – was hat es damit auf sich?

Das ist eine Austausch-, Info- und Vernetzungsplattform für Fachleute aus dem Grundwassersektor, der Forschung, von Behörden, Vollzug- und Praxisseite und für am Thema interessierte Bürgerinnen und Bürger. Ziel des Netzwerks ist es, hydrogeologische Fragen und Herausforderungen unter dem Einfluss der neuen Entwicklungen zu erfassen, Lösungsansätze und Massnahmen zu erarbeiten, dabei zu helfen, diese umzusetzen. Zudem soll die Sichtbarkeit von Grundwasser relevanten Themen erhöht werden. Besonders wichtig ist hier auch die enge Zusammenarbeit des Netzwerks mit der vom BAFU neu geschaffenen Plattform Grundwasserschutz, welche an der Universität Neuchâtel angesiedelt ist, und mit der neuen Professur Hydrogeologie an der Universität Basel, die von der Eawag mitfinanziert wird. Mit diesen beiden neuen «Mitspielern» wird CH-GNet viele Impulse und Synergien entwickeln.

Schweizweit besteht ein grosser Bedarf an einem kontinuierlichen Kompetenzaufbau, fachlicher Begleitung und einem Austausch zwischen Forschung und verschiedensten grundwasserrelevanten Interessengruppen. Durch CH-GNet möchte man daher nicht nur grundwasserrelevante Themenbereiche sichtbar machen und praxisorientiert bearbeiten, sondern auch Pilotstudien initiieren und mit dem Netzwerk eine Vordenkerrolle einnehmen.
 

Weltwassertag 2022 - «Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz»

Der Weltwassertag, zu dem die Vereinten Nationen (VN) seit 1992 aufrufen, erinnert alljährlich an die Besonderheiten von Wasser als der essenziellsten Ressource allen Lebens. Der Weltwassertag 2022 steht unter dem Motto: «Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz». Mit diesem Jahresthema wollen die VN weltweit auf die Bedeutung des Grundwassers aufmerksam machen und es ins Bewusstsein der Menschen rufen.

Die elementare Bedeutung des Grundwassers als unverzichtbare Ressource und Teil des Wasserkreislaufs und die Belastungen, denen es durch menschliche Tätigkeiten und zunehmend durch den Klimawandel ausgesetzt ist, sind vielen Menschen nicht wirklich präsent und bewusst. Aus diesem Grund und im Hinblick auf den bevorstehenden Wandel rücken die Vereinten Nationen die Bedeutung und den Wert unseres kostbaren Grundwassers wieder stärker ins gesellschaftliche sowie politische Bewusstsein.

Titelbild: In der Regel steht in der Schweiz insgesamt ausreichend Wasser zur Verfügung. Trotzdem kann es bei längeren Trockenzeiten und gerade in kleineren Einzugsgebieten zu Wassermangel kommen.
(Foto: Pavel Klimenko, iStock)