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Umwandlungsprodukt von Schmerzmittel toxischer als gedacht
28. April 2020 |
Jeden Tag gelangen weltweit mehrere Tonnen an Arzneimittelwirkstoffen in die Gewässer. Diese stammen hauptsächlich aus häuslichem Abwasser, denn die meisten Stoffe werden nach der Einnahme – zum Teil unverändert – wieder ausgeschieden. Da viele Abwasserreinigungsanlagen nicht alle Stoffe rückstandslos zurückhalten, gelangt der Rest in die Gewässer. Auch wenn die Mengen winzig sind, können sie Organismen beeinträchtigen. So zeigten frühere Studien, dass der Schmerzmittelwirkstoff Diclofenac schädlich auf Leber, Nieren und Kiemen von Fischen wirkt.
Nun zeigen Forschende um die Leiterin der Eawag-Abteilung Umweltchemie Juliane Hollender: Ein Umwandlungsprodukt von Diclofenac – namentlich Diclofenac-Methyl-Ester – wirkt mitunter sogar noch toxischer als der «Ausgangswirkstoff» selbst. Diese Erkenntnis publizierte das Forscherteam kürzlich im Fachmagazin «Environmental Science & Technology».
Flohkrebse wandeln Wirkstoff um
Zu diesem Schluss gelangten die Umweltchemikerinnen und -chemiker mithilfe von zwei häufig vorkommenden Flohkrebsarten. Im Labor setzte die Postdoktorandin Qiuguo Fu diese während 24 Stunden unterschiedlichen Konzentrationen von Diclofenac aus. Die gewählten Konzentrationen waren allerdings um einiges höher als die in der Umwelt gefundenen. Dann untersuchten sie, wie sich der Stoff in deren Körpern verhält. Demnach führt eine enzymatische Reaktion in den kleinen Tierchen dazu, dass sich der Stoff Diclofenac-Methyl-Ester bildet, der akut viel toxischer wirkt als Diclofenac.
Der Gemeine Flohkrebs, Gammarus pulex, wandelt Diclofenac in den akut toxischer wirkenden Diclofenac-Methyl-Ester um
(Foto: Eawag).
Kommt hinzu: Diclofenac-Methyl-Ester ist schlecht wasserlöslich und kann daher weniger gut ausgeschieden werden – so kann er sich im Körper stärker akkumulieren. «Deshalb halte ich den Stoff für potentiell gefährlicher als Diclofenac», sagt Juliane Hollender. Laut der Umweltchemikerin trat diese Art der chemischen Umwandlung unerwartet auf und sollte auch bei toxikologischen Risikoabschätzungen für andere Substanzen berücksichtigt werden. Denn: Nach ersten Untersuchungen geschieht diese Biotransformation auch in höheren Lebewesen wie Fisch und Mensch.
Die gute Nachricht: In der Schweiz werden momentan gut hundert Abwasserreinigungsanlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet, um Mikroverunreinigungen effektiv zu entfernen. «Nach dieser zusätzlichen Elimination taucht Diclofenac in den Gewässern nicht mehr in erhöhten Konzentrationen auf», sagt Hollender.
Titelbild: pxhere
Originalpublikation
Finanzierung
Schweizer Nationalfonds, European Chemical Industry Council