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Artists-in-labs: Wo Kunst und Wissenschaft verschmelzen
21. November 2017 |
«Land Art» im Val Roseg
Während ihres Aufenthalts an der Eawag begleitete Zahrah Alghamdi die Forschungsgruppe Fliessgewässer-Ökologie auf drei Exkursionen ins Val Roseg im Engadin. Inspiriert von den Tätigkeiten der Wissenschaftler in der imposanten Bergwelt mit ihren zahlreichen Flüssen und Bächen verarbeitete Alghamdi ihre Eindrücke vor Ort mit Werken in der Tradition der «Land Art». Dabei arbeitete sie entweder von Hand oder mit wenigen einfachen Hilfsmitteln. Sie verwendete vorwiegend natürliche Materialien, die sie im Val Roseg vorfand, beispielsweise den Sand eines Flussufers oder getrocknete Pflanzen. Alghamdi näherte sich so der für sie unbekannten Landschaft an, hinterliess ihre persönlichen Spuren und setzte sie gleichzeitig der Vergänglichkeit aus. Fotografisch dokumentiert, halten diese Werke einen bestimmten Moment in der Zeit fest, wie auch die im Val Roseg gesammelten wissenschaftlichen Daten.
Zahrah Alghamdi ist im südwestlichen Saudi-Arabien aufgewachsen, wo sie von traditioneller Architektur mit kunstvoll dekorierten Räumen umgeben war. Diese Räume spiegeln die einzigartigen kulturellen Traditionen und die Geschichte ihres Heimatlandes wider. In ihrer Kunstpraxis stützt sie sich auf ihre Erinnerungen an diese Räume und Orte und deren kulturelle Bedeutung. Sie verbindet die Geschichte mit der heutigen Situation, indem sie versucht, ein Echo der Vergangenheit zu schaffen und Licht auf die Veränderungen der Architektur zu werfen, die sich von traditionellen Techniken, Materialien und Ressourcen entfernt. Alghamdi promovierte in Design und Visual Arts an der Coventry University in Großbritannien und arbeitet als Assistenzprofessorin an der Fakultät für Kunst und Design der King Abdulaziz University in Jeddah, wo sie auch lebt.
Künstler erfindet neuen Organismus
In der Trinkwasser-Mikrobiologie-Forschungsgruppe tauchte Muhannad Shono regelrecht in die Welt der Bakterien ein. Während seiner Auseinandersetzung mit den mikroskopisch kleinen Lebewesen entwarf er einen fiktionalen Organismus. Diesen Organismus vergleicht er mit LUCA (Last Universal Common Ancestor), dem hypothetisch letzten gemeinsamen Vorfahren und Baustein sämtlicher Lebewesen. Diese Arbeit führte Shono zu den Wurzeln des Lebensbaums, an den Ursprung der Zivilisation. Indem er den Organismus in einen kreativen Kontext setzt, zeigt er dessen Evolution auf. Der Organismus sei voller neuer Ideen, erklärt der Künstler. «Es handelt sich um einen Verhaltensorganismus, welcher dem menschlichen Mikrobiom entstammt, eine physische Manifestation unseres Verhaltens und unserer Bedürfnisse», sagt er. «Der Sinn des Organismus ist die Verbreitung von Ideen. Das Forschungsumfeld scheint die ideale Umgebung für diesen Organismus zu sein», fügt Shono hinzu.
Muhannad Shono entwickelte bereits in jungen Jahren Handlungsstränge, fiktive Welten und Zeichnungen, die er in Comic-Büchern zusammenführte. Seine Liebe zum Geschichtenerzählen zeigt sich auch heute noch in seiner Arbeit. Zarte Schwarz-Weiss-Tuschezeichnungen und Animationen zeigen Figuren, die sich über weite Ebenen bewegen oder von kontinuierlich transformierenden Landschaften und Überschwemmungen absorbiert werden. Als eingebürgerter saudischer Staatsbürger von syrischen Eltern thematisiert er Vertreibung, Migration und Identität. In seinen Arbeiten versucht Shono, die Verwendung von Tinte auf Papier über die traditionellen Formen hinaus zu erweitern, indem er skulpturale, animierte und akustische Elemente einbezieht. Er beschreibt den Prozess und die Methode als "eine flüssige Reise, bei der Materialien und Methoden das Tempo und den Raum erhalten, die sie benötigen, um die Geschichte am besten zu erzählen und zu bedienen". Muhannad Shono schloss sein Studium der Architektur an der King Fahd University of Petroleum & Minerals in Dharan, Saudi-Arabien ab. Er lebt und arbeitet in Saudi-Arabien und Australien.
Ausstellung an der Eawag
Am 30. November 2017 um 18:00 Uhr werden Zahrah Alghamdi und Muhannad Shono als Abschluss ihrer Tätigkeit an der Eawag in einer öffentlichen Vernissage ihre Werke im Atrium des Forums Chriesbach präsentieren. Die Ausstellung Unpublished - artistic observations dauert bis am 7. Dezember 2017.
Fotos: Eawag, Martina Schürmann & Peter Penicka