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Das Beste aus zwei Toilettenwelten vereint
11. März 2014 |
Die International Water Association (IWA) wählt die Blue Diversion im Sektor Europa/Westasien zum innovativsten Projekt in der Kategorie Angewandte Forschung. Damit ist das Projekt qualifiziert für den weltweiten Wettbewerb der IWA, dessen Preise im September am Weltwasserkongress in Portugal verliehen werden. Die Innovationspreise werden alle zwei Jahre vergeben. Die IWA will damit besonders nachhaltige Ansätze im Wassermanagement auszeichnen.
Wasserspülung ist nicht das Ein und Alles
Das WC – die wassergespülte Toilette – hat sich in den Industrieländern etabliert. Doch die vordergründig elegante Lösung aller sanitären Probleme trügt: Vielerorts ist kein Leitungsnetz oder gar nicht ausreichend Wasser zum Spülen vorhanden, ganz zu schweigen von einer aufwändigen Kanalisation und zentralen Abwasserreinigungsanlagen. Umgekehrt wurde die Grubenlatrine seit 200 Jahren kaum weiterentwickelt. Die Folgen davon: 2.5 Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu einer anständigen Toilette. Urin und Fäkalien belasten Hygiene und Umwelt, statt dass die darin enthaltenen Wertstoffe wiederverwendet werden.
Trockentoilette – aber doch etwas Wasser
Im Rahmen der Reinvent The Toilet Challenge (RTTC), ausgeschrieben von der Bill & Melinda Gates Foundation, hat jetzt ein Team aus Schweizer Wasserforschenden und Designern aus Österreich eine komplett neue Toilette entwickelt, die Blue Diversion. Basis der Idee ist eine Trockentoilette mit separater Sammlung des Urins. Weil existierende Modelle weder hygienisch befriedigen, noch bei den Benutzerinnen und Benutzern beliebt sind, hat das Team die Toilette ergänzt mit einem eigenständigen Wasserkreislauf: So ist Wasser vorhanden, um die Schüssel sauber zu halten, um sich die Hände zu waschen und (über eine Duschbrause) auch für die Analhygiene, wie sie z.B. in vielen asiatischen Ländern betrieben wird. Das Wasser wird an Ort biologisch behandelt und über eine Schwerkraft betriebene Membran von krankheitserregenden Keimen befreit. Ein solar betriebene Elektrolyse verhindert dank der Produktion von Chlor das erneute Aufwachsen unerwünschter Bakterien im rezyklierten Wasser.
High- und Low-tech kombiniert
Blue Diversion verlässt damit sowohl herkömmliche low-tech Lösungen als auch alle auf Kanalisations- und Wasseranschluss angewiesenen Systeme. Dank des frühzeitigen Einbezugs von Designern und der breiten Abstützung sowohl an der Eawag als auch international ist ein Produkt am Entstehen, das die Bedürfnisse der Nutzer sehr gezielt erfüllt. Statt high- und low-tech Ansätze gegeneinander auszuspielen, kombiniert Blue Diversion die Vorteile aus beiden Bereichen, was eine zuverlässige und nachhaltige Funktion ermöglicht. Dies auch deshalb, weil von Anfang an darauf geachtet wurde, dass die Toilette industriell einfach produziert werden kann. Die Unterstützung der Firma Tribecraft (ursprünglich ein ETH spin-off) ist dabei sehr wertvoll gewesen. Gleichzeitig stellt ein Geschäftsmodell sicher, dass Blue Diversion auch in strukturschwachen Ländern ohne Subventionen funktionieren wird: Dazu zählen u.a. ein Sammelsystem für Urin und Fäkalien sowie semizentrale Verwertungsanlagen, die Dünger und Biogas produzieren.
Erste Praxistests sind mit einem «Null-Modell» in Uganda erfolgreich durchgeführt worden. Weitere Tests mit echten Prototypen sowie Optimierungen in der Produktion und beim Energieverbrauch laufen zur Zeit. Noch diesen Monat wird die Bill & Melinda Gates Foundation entscheiden, ob sie das Projekt im Rahmen der RTTC weiter fördert. Unabhängig davon sucht das Forscher- und Entwicklerteam der Blue Diversion nun Industriepartner und Investoren, um eine grössere Stückzahl der genialen Toilette produzieren und weitere Erfahrungen sammeln zu können.
(© Eawag/EOOS; honorarfreie Verwendung nur im Zusammenhang mit dieser Mitteilung, keine Archivierung).