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Faszinierender Fund im Golf von Kalifornien
29. Oktober 2015 |
Verlässliche Klimavorhersagen sind nur möglich, wenn alle Faktoren, die das Klima beeinflussen, bekannt sind. Auch ein Blick in die Vergangenheit kann Aussagen über die Zukunft erleichtern. Einer Hypothese zufolge haben verstärkte vulkanische Aktivitäten während der Öffnung des Nordatlantiks vor rund 54 Millionen Jahren eine schnelle Erwärmung ausgelöst. Das Ereignis ist bekannt als Päläozän-Eozän-Temperatur-Maximum (PETM).
Forscherinnen und Forscher aus Deutschland, Mexiko, Norwegen, Taiwan und der Schweiz untersuchen diese Hypothese im Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien. Das Guaymas-Becken dient dabei als Modellregion für den Nordatlantik am Ende des Paläozäns.
Während der Expedition mit dem deutschen Tiefseeforschungsschiff «Sonne» hat das Team ein Hydrothermalfeld mit mehreren Schwarzen Rauchern von ungewöhnlicher Grösse entdeckt. «Das ist ein bemerkenswerter Fund, denn er könnte unser Bild davon ändern, wie Kohlenstoff aus Sedimentbecken in der Tiefsee emittiert wird. Das hätte grundlegende Konsequenzen für die Abschätzung der Rolle von magmatischen Systemen auf das System Erde», erklärt Christian Berndt, Geophysiker am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Fahrtleiter der Expedition.
Vulkane im Meer als Klimafaktor
Nach dem Aufbrechen einer kontinentalen Kruste gibt es eine Phase, in der Vulkanismus am Meeresboden stattfindet. Das magmatische Gestein dringt in die bereits am Meeresboden abgelagerten Sedimente ein. Dort erhitzt das Gestein das Porenwasser derart, dass grosse Mengen von Kohlenstoff, der vorher zusammen mit den Sedimenten abgelagert worden ist, freigesetzt werden. Das mit dem Kohlenstoff angereicherte Wasser beginnt zur Oberfläche zu wandern und setzt ihn dort in die Atmosphäre frei. Dort sorgen die freigesetzten Gase – unter anderem CO2 – für steigende Temperaturen.
Da solche Systeme während der Öffnung des Nordatlantik-Beckens vor rund 54 Millionen Jahren weit verbreitet waren, wird angenommen, dass sie für die als PETM bekannte rasante globale Erwärmung zumindest mitverantwortlich sein könnten. Bis jetzt war allerdings unklar, wie intensiv diese Systeme tatsächlich waren und welche Arten von Kohlenstoffverbindungen sie ausgestossen haben. Das Guaymas Becken im Golf von Kalifornien könnte darauf Antworten liefern, denn dort öffnet sich zurzeit ein noch verhältnismässig junges Ozeanbecken, in dem die ersten vulkanischen Einträge in das Sedimentbecken stattfinden.
Beruhend auf regionalen seismischen Daten und Echolot-Messungen hat das internationale Team an Bord der «Sonne» mögliche Stellen von Flüssigkeitsaustritten am Meeresboden identifiziert. Die entsprechenden Plätze wurden mit dem Tiefseeroboter Hybis eingehender untersucht. Schon bei seinem ersten Tauchgang fingen die Hybis-Kameras Bilder eines ausgedehnten Hydrothermalfelds ein. Dort treten mehrere hundert Grad Celsius heisse Flüssigkeiten aus dem Meeresboden aus, aus denen beim Kontakt mit dem kalten Meerwasser sofort Mineralien ausfallen, die sich am Meeresboden ablagern. Die heissen Flüssigkeiten sind mit Methan angereichert, das hoch in die Wassersäule transportiert wird.
Eawag entwickelt neue Messmethode
Das Feld ist rund 500 Meter lang und besteht aus mindestens vier bis zu 70 Meter hohen Ablagerungen. «Solche heissen Quellen sind vor allem von mittelozeanischen Rücken bekannt. Ein Feld dieser Grösse abseits einer Spreizungsachse ist ungewöhnlich», sagt Berndt. Die Grösse und die Aktivität des Systems sprechen dafür, dass hydrothermale Quellen tatsächlich Einfluss auf das globale Klima haben können, wenn sie in sich öffnenden Ozeanbecken in grosser Anzahl auftreten.
Noch lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie gross dieser Einfluss einzuschätzen ist. Im Moment sind die Forscher daran, die Proben und Daten genau zu analysieren. «Ich bin sicher, wir erhalten faszinierende Ergebnisse», sagt Eawag-Professor Rolf Kipfer, der für die Messungen der im Wasser gelösten Gase zuständig war. Die Eawag hat im Hinblick auf diese Expedition eine neue Methode entwickelt, die es möglich machte, die Proben bereits auf dem Schiff zu analysieren. Zum einen zeigten die ersten Messungen, dass zumindest ein Teil der im Wasser gelösten Gase aus dem Erdmantel stammen muss. Zum anderen machten es die rasch verfügbaren Resultate möglich, die Strategie für die Probenentnahme während der Expedition fortlaufend anzupassen.
Begeistert ist Kipfer jedoch auch von der Navigationstechnik des Forschungsschiffs: «Für mich war es faszinierend zu erleben, wie der Kapitän das Schiff inmitten des unruhigen Ozeans per Joystick jeweils präzis um einen Meter nach links oder rechts verschieben konnte“. Zu verdanken ist dies einem sogenannten dynamischen Positionierungssystem. Dieses kontrolliert automatisch die Propeller und die Ruderblätter des Schiffs, um es stabil und ortsfest zu halten. Dazu nutzt das System neben der Satellitennavigation auch Bewegungssensoren im Schiff sowie Daten über Wind und Wellengang.
Leben in 1700 Meter Tiefe
Interessant sind die neuentdeckten Schwarze Raucher – neudeutsch auch als Black Smokers bekannt – jedoch auch für Meeresbiologen. Das Hydrothermalfeld befindet sich in einer Tiefe von 1700 bis 1800 Meter unter der Meeresoberfläche. Dennoch ist es voller Leben. So hat die Hybis-Kamera beispielsweise Bilder von Röhrenwürmern geliefert, die bis zu 1.5 Meter lang werden können und typisch für Hydrothermalfelder sind. Für die Forschung stellt sich unter anderem die Frage, inwiefern die Lebewesen im Guaymas-Becken mit Populationen weiter südlich im Pazifik genetisch verwandt sind.