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Interview: «Das Legionellen-Problem ist multidimensional»
10. März 2020 |
Warum befasst sich die Eawag mit Legionellen?
Erstens zeigen die Daten des Bundesamts für Gesundheit deutlich, dass Legionellen in der ganzen Schweiz ein zunehmendes Problem darstellen. Als Wasserforschungsinstitut des Bundes ist die Erforschung dieses Problems zum einen unser Auftrag, zum anderen haben wir an der Eawag das nötige Fachwissen über die mikrobielle Ökologie in Trinkwasserverteilsystemen von Gebäuden.
Zudem haben wir vor einigen Jahren eine hohe Legionellen-Konzentration in den Sanitäranlagen unserer eigenen Gebäude entdeckt. Wir konnten die Problematik, die in vielen Gebäuden der Schweiz anzutreffen ist, damit quasi vor der eigenen Haustüre untersuchen und am Standort lösen.
Wie erklären Sie sich die starke Zunahme der Legionellose-Fälle in den letzten Jahren?
Es ist wichtig zu erwähnen, dass der gleiche Trend in vielen Ländern Europas sowie den USA zu beobachten ist. Dass die Fallzahlen steigen, ist sicherlich auf eine intensivere Überwachung und ein zunehmendes Problembewusstsein zurückzuführen. Es gibt jedoch eine Vielzahl weiterer Aspekte, die dazu beitragen. So wird vermutet, dass u.a. veränderte Installations- und Betriebsbedingungen von Wasseranlagen sowie klima- und wetterbedingte Faktoren für den Anstieg mitverantwortlich sind.
Das Dilemma Hygiene vs. Energiesparen bleibt wohl bestehen, oder zeichnet sich eine Lösung ab?
Es geht darum, Lösungen zu suchen, die es erlauben, beide Aspekte zu berücksichtigen. Es gibt definitiv wissenschaftlich/technische Lösungen für dieses Dilemma. Es braucht jedoch einen aktiven und konstruktiven Dialog zwischen den verschiedenen Interessengruppen und eine klare Bereitschaft, das Problem anzugehen.
Geprüft werden nur öffentliche Bäder, Schulen oder Altersheime. Muss ich auch meine private Dusche prüfen lassen?
Es ist ein grosser erster Schritt, dass die öffentlichen Wassersysteme kontrolliert werden, aber das gleiche Bewusstsein ist auch in den privaten Haushalten nötig. Doch Legionellen-Probleme werden nicht allein durch die Überwachung verhindert. Das heisst, ihre Entdeckung löst das Problem nicht und hält es auch nicht einfach auf. Um die Verbreitung von Legionellen in Gebäudesystemen, insbesondere dort, wo gefährdete Personen leben, zu minimieren, müssen die Lösungen durch ingenieurtechnische und operative Ansätze kommen. Einerseits sollen solche technischen Massnahmen die Vermehrung von Legionellen verhindern, andererseits müssen Legionellen bei erhöhten Werten konsequent und nachhaltig eliminiert werden und der Erfolg der Sanierung nachfolgend überprüft werden.
Sie leiten nun ein vier Jahre dauerndes Forschungsprogramm zu Legionellen in Gebäuden - was ist denn die wichtigste Frage, die in diesem Programm beantwortet werden soll?
Die Weiterentwicklung, Optimierung und Standardisierung der Probenahme und nachfolgenden Analytik stellt sozusagen das Fundament dar, um weitere Fragestellungen zielführend bearbeiten zu können. Aber gerade die Legionellen-Thematik erfordert das Zusammenführen «verschiedener Fäden», um Fortschritte machen zu können. Genau dies ermöglicht uns nun das Projekt: Wir werden die Thematik sowohl aus mikrobiologischer, medizinischer wie auch technischer Sicht beleuchten. Zudem ist es uns wichtig, die Sensibilisierung und den Wissenstransfer zwischen verschiedensten Akteuren, von der Wissenschaftlerin zum Sanitärfachplaner, dem Hausarzt und der Immobilienbewirtschafterin zu fördern.
Sie wollen untersuchen, wie das Legionellen-Vorkommen und die Häufigkeit von Infektionen zusammenhängen – stösst die Eawag in das Gebiet der Epidemiologie vor?
Nein, nicht direkt. Das Legionellen-Problem ist multidimensional, und deshalb ist unser neues Projekt multidisziplinär. Wir haben gezielt Gruppen mit unterschiedlichen Fachkenntnissen einbezogen. Dazu gehören die Gruppe von Daniel Mäusezahl (SwissTPH), die sich mit der Epidemiologie und Humangesundheit befasst, die Gruppe von Franziska Rölli (HSLU), die die Gebäudetechnik fokussiert, die Gruppe von Tim Julian (Eawag), die sich mit um die Risikobeurteilung kümmert, und die Gruppe von Hans Peter Füchslin (Kantonales Labor Zürich), die sich mit der routinemässigen Überwachung und mit Fragen der Gesetzgebung befasst.