Archiv Detail
Lücken im grenzüberschreitenden Gewässerschutz aufdecken
16. April 2018 |
Pharmaka im Abfluss einer ARA aus dem Berner Oberland können die Wasserqualität des Rheins in Holland ebenso beeinträchtigen wie Pflanzenschutzmittel aus landwirtschaftlichen Kulturen im Elsass. Früher oder später können solche Mikroverunreinigungen in Trinkwasserfassungen auftauchen und ein potentielles Problem für den Menschen und seine Gesundheit darstellen. Um eine sichere Trinkwasserversorgung von den Alpen bis zur Nordsee zu gewährleisten, müssten also alle Beteiligten im Einzugsgebiet des Rheins zusammenarbeiten – vom Wasserversorger über den Gesetzgeber bis hin zu den Verursachern. Wie ausgeprägt dies am Rhein der Fall ist, untersuchten Eawag-Forschende aus Sozial- und Naturwissenschaften zusammen mit dem Luxemburgischen Institut für Sozio-ökonomische Forschung (Liser). Das interdisziplinäre Projektteam arbeitete mit einem räumlichen Ansatz und neuen Visualisierungsmethoden. «Die Zusammenarbeit bezüglich Mikroverunreinigungen ist über das ganze Einzugsgebiet etabliert», freut sich Karin Ingold, von der Abteilung Umweltsozialwissenschaften der Eawag. «Wir waren aber überrascht, dass es tatsächlich Gebiete gibt, wo offensichtlich wenig reguliert wird und wo betroffene und zuständigen Akteure kaum zusammenarbeiten.» Eine solche Lücke ortet das Projekt bei der Vernetzung der Schweizer Akteure mit Grenzregionen in Österreich und Liechtenstein.
Sozial- und Naturwissenschaften gehen Hand in Hand
«Unsere Studie stützt sich auf die These, dass das Management natürlicher Ressourcen umso effektiver ist, je vollständiger das regulatorische System das Einzugsgebiet umfasst», erklärt Ingold, die nebst ihrer Tätigkeit an der Eawag an der Universität Bern Professorin ist für Politikwissenschaften. An grenzüberschreitenden Flüssen wie dem Rhein ist der Umweltschutz besonders komplex. Die Forschenden fokussierten ihre Untersuchungen auf Mikroverunreinigungen, analysierten deren Herkunft und wie die Wasserversorger von Basel und Düsseldorf mit dieser Belastung umzugehen versuchen. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt beleuchtete also die physische und regulatorische Dimension der Umweltbelastung. «Eine Herausforderung war, diese beiden Dimensionen vergleichbar zu machen, um Lücken im System aufzuzeigen», so Ingold.
Massenflüsse der Mikroverunreinigungen
Im naturwissenschaftliche Teil analysierten die Forschenden mit Massenflussanalysen, wo die Schadstoffe in welchen Mengen in Fliessgewässer eingetragen werden. Sie wählten hierfür exemplarisch zwei Herbizide (Isoproturon, S-Metolachlor) und zwei Pharmazeutika (Carbamazepin, Sulfamethoxazol), die im ganzen Einzugsgebiet verwendet werden und für die Trinkwasserversorgung relevant sind. In einem ersten Schritt modellierten die Forschenden, wo die Substanzen in welchen Mengen angewendet werden. Basis dazu bildeten einerseits die Verkaufsdaten der Stoffe, andererseits die Bevölkerungsdichte bei den Medikamenten bzw. die Fläche der landwirtschaftlichen Kulturen, in denen die beiden Herbizide zum Einsatz kommen. Im zweiten Schritt berechneten sie, wie viel dieser Substanzen durch Auswaschung oder über die ARA ins Flussnetzwerk gelangen. Schliesslich bestimmten sie die Frachten für Basel und Düsseldorf und modellierten die sogenannten Impactzonen. Diese bilden ab, welche Gebiete zu welchem Anteil zur Gesamtfracht an einem Ort beitragen.
Räumlicher Einfluss der Wasserversorger
Parallel dazu ermittelten die Politologinnen und Politologen mit sozialen Netzwerkanalysen, wie die betroffenen Wasserversorger in die Regulierung dieser Schadstoffe eingebunden sind. In Interviews erfragten sie, mit welchen Behörden, Verbänden und weiteren Akteuren die Wasserversorgungen in Basel und Düsseldorf im Bereich von Mikroverunreinigungen in Kontakt stehen. In Basel resultierten daraus 40 involvierte Akteure, für Düsseldorf deren 15. Zudem erhoben die Forschenden, welche Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene vernetzt sind, um Umweltvorschriften oder Massnahmen zu koordinieren. Sie lokalisierten diese Akteure und stellten die Verbindungen auf einer Karte dar. So entstand ein räumliches Bild der Netzwerke, das die Kompetenzzone der Wasserversorger zeigt.
Gute Überlappung mit Lücken
Nun legten die Forschenden das räumliche Netzwerk über die Impact-Zonen. Die Gebiete, die für die Verunreinigungen an den Standorten Basel und Düsseldorf verantwortlich sind, verteilen sich auf drei bzw. vier Länder. Dabei zeigt sich, dass nationale Grenzen das Netzwerk der Akteure beeinflussen: Während der Basler Wasserversorger über das ganze nationale Einzugsgebiet und nach Deutschland vernetzt ist, findet kein Austausch mit Akteuren in Liechtenstein und Österreich statt. In Düsseldorf fehlen Kontakte zu Akteuren in Frankreich, in die Schweiz besteht nur eine Verbindung.
Die Forschenden kommen zum Schluss, dass die regulatorische und organisatorische Ebene gut mit der ökologischen überlappt. Die Visualisierung macht aber auch deutlich, wo noch «Problemzonen» vorhanden sind. Und genau hier sieht Ingold den Vorteil des interdisziplinären Ansatzes: «Behörden und Entscheidungsträger sehen auf einen Blick, welche Räume ihre Kompetenzen bereits abdecken, und wo sich eine intensivere (internationale) Zusammenarbeit lohnen könnte.»
Wasser-Governance weltweit
Die «Global Water Partnership» (GWP) hat eine interaktive Online-Karte veröffentlicht, die Erfolge im Bereich der Wasser-Governance aufzeigt. Gelistet werden regionale, nationale und internationale Vereinbarungen wie neue Wasser-Richtlinien, nationale Anpassungspläne, grenzüberschreitende Management-Vereinbarungen oder Investitionspläne, die zu einem besseren Management der Wasserressourcen führten.
Originalpublikation
Karin Ingold, Andreas Moser, Florence Metz, Laura Herzog, Hans-Peter Bader, Ruth Scheidegger, Christian Stamm; Misfit between physical affectedness and regulatory embeddedness: The case of drinking water supply along the Rhine River; Global Environmental Change 48 (2018).
http://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2017.11.006
Der Rhein speist die Trinkwasserreserven von Basel. Verunreinigungen zu regulieren, ist an grenzüberschreitenden Flüssen eine grosse Herausforderung.
Quelle: Norbert Aepli
Die Impact-Zonen für den Trinkwasserversorger in Düsseldorf für die zwei Herbizide Isoproturon (A) und S-Metolachlor (B) sowie das Pharmazeutikum Carbamazepin (C). Die Impact-Zonen bezeichnen die Gebiete, aus denen zusammengenommen 95 % der Belastung am Zielort stammen. Die rot, gelb und hellblau eingefärbten Flächen tragen je 25 % zur Gesamtfracht bei, das dunkelblaue Gebiet zu 20 %.
Quelle: Eawag
Das Netzwerk der Basler Wasserversorger mit georeferenzierten Akteuren räumlich dargestellt. Die Vernetzung ist regional stark ausgeprägt (Cluster Basel und Liestal) und im Raum Bern, wo vor allem zu Behörden und politischen Institutionen ein Austausch besteht. Der Vergleich mit der räumlichen Ausdehnung der Impactzonen am Beispiel des Herbizids Isoproturon zeigt, dass über die Landesgrenzen hinweg zu relevanten Gebieten in Österreich und Liechtenstein keine Kontakte bestehen.
Quelle: Eawag