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Mit einer spielerischen App zur fundierten Entscheidung
19. Dezember 2018 |
Soll in einer Region eine Windenergieanlage gebaut werden oder ist der Landschaftsschutz höher zu gewichten? Wie soll die Abwasserinfrastruktur in Zukunft ausgestaltet werden? Bei solchen umweltbezogenen Fragen ist die Multikriterielle Entscheidungsanalyse (MCDA, Multi-Criteria Decision Analysis) ein anerkanntes Vorgehen. Ein wichtiger Schritt dabei ist, die Präferenzen der involvierten Personen zu erheben: Was ist ihnen wirklich wichtig bei ihrer Entscheidung? Welche Ziele gewichten sie am stärksten? Um dies abzufragen, eignen sich persönliche Interviews oder moderierte Workshops. Weniger zeitaufwendig wären Online-Umfragen. Ihr Problem: Oft sind die Teilnehmenden nicht vertraut mit der komplexen Materie, oder sie geben auf, da die Fragen oft repetitiv sind. Um solche Hindernisse zu überwinden, hat Alice Aubert von der Abteilung Umweltsozialwissenschaften eine neuartige Umfrage-App am Beispiel der Abwasserinfrastruktur entwickelt.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Stange halten
«Wir haben die Befragung in eine Geschichte verpackt, in denen virtuelle Personen mit den Teilnehmenden kommunizieren», erklärt Aubert. Diese spielerischen Elemente sollen den Benutzerinnen und Benutzern Spass bereiten und ihre Motivation hochhalten. Das notwendige Wissen wird in mehreren, iterativen Lernschlaufen vermittelt. Kernpunkt der Befragung aber ist, dass die Teilnehmenden über ihre Ziele nachdenken und diese gewichten. Dabei treten durchaus Zielkonflikte auf. Ein Beispiel aus Auberts App: Eine Abwasserinfrastruktur mit hoher Phosphorrückgewinnung erfordert den Einbau unkonventioneller Toiletten, die von den Benutzerinnen und Benutzer vielleicht weniger gut akzeptiert werden. Nun muss man sich entscheiden, ob einem die Phosphorrückgewinnung oder die soziale Akzeptanz wichtiger ist. Zeigen sich bei der Befragung mit verschiedenen Methoden unterschiedliche Präferenzen, muss die befragte Person ihre Bewertung noch einmal überprüfen. «Einige der Probanden fühlten sich dadurch zu stark kontrolliert», so Aubert.
Screenshot aus der App:
Leon und Alice führen die Teilnehmenden durch die Umfrage, stellen Fragen, motivieren und loben.
Konzept erfolgreich erprobt
Auch die hohe Informationsdichte erwies sich im Test mit über 100 Studierenden als grosse Herausforderung. In einer neuen Version will Aubert deshalb auch die Hintergrundinformationen mit spielerischen Elementen bestücken. Grundsätzlich sei der Prototyp aber gut angekommen, freut sich die Forscherin. Die Auswertung zeige, dass die Probandinnen und Probanden nach der Erhebung deutlich mehr über das Thema wussten als davor, und dass eine Mehrheit Präferenzen setzte, die ihnen entsprachen. Aubert ist vom Potenzial solcher Online-Erhebungen überzeugt: «Online-Tools erlauben es, die Einstellungen der Bevölkerung umfassender abzuholen.» So liessen sich langfristige Entscheide im Umweltbereich breiter abstützen und die Betroffenen würden deren Umsetzung besser mittragen.
Möchten Sie die App selbst testen?
Die «Eawag Survey App» kann im App-Store von Apple kostenfrei geladen werden. Um die Umfrage zu starten, braucht es einen Token, der bei Alice Aubert angefordert werden kann: alice.aubert@cluttereawag.ch
Serious Games im Umweltbereich
Im Rahmen des Projekts hat Alice Aubert eine Übersicht über «Serious Games» im Wasserbereich erstellt. Solche Spiele haben Ziele, die über die reine Unterhaltung hinausgehen, z.B. eine Botschaft zu vermitteln, Informationen auszutauschen oder Verhaltensweisen zu trainieren. Thematisch reichen sie vom Wassermanagement über Wasserqualität oder Knappheit bis hin zur nachhaltigen Fischerei.
Die Liste ist in der “Supplementary Information” des folgenden Artikels zu finden Aubert, A. H., Bauer, R., Lienert, J. (2018) A review of water-related serious games to specify use in environmental Multi-Criteria Decision Analysis. Environmental Modelling and Software, 105, 64-78. doi.org/10.1016/j.envsoft.2018.03.023