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Neues Modell zeigt Arsenrisiko aus Chinas Grundwasser

22. August 2013 | Andri Bryner

Mit Arsen belastetes Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird, stellt eine Gesundheitsgefahr dar für fast 20 Millionen Chinesinnen und Chinesen. Das zeigen Wissenschafter der Eawag zusammen mit Forscherkollegen aus China in einer heute in Science publizierten Studie. Ihre Schätzung beruht auf einem neuen Risikomodell, das geologische und hydrologische Daten sowie Arsenmessungen in Brunnen verwendet. Die Studie förderte auch bisher unbekannte Risikogebiete an den Tag und wird von der Regierung bereits im nationalen Grundwasser-Überwachungsprogramm verwendet.

Seit den 1960er Jahren ist bekannt, dass in einzelnen Provinzen Chinas die Grundwasservorkommen mit Arsen belastet sind. Die Zahlen zur betroffenen Bevölkerung sind seither Jahr für Jahr gestiegen. Die jüngste Erhebung des chinesischen Gesundheitsministeriums (2001-2005) testete 445‘000 Wasserfassungen. In über 20‘000 davon (5%) lagen die Arsenkonzentrationen höher als 50 µg/L. Die Behörde geht davon aus, dass rund 6 Millionen Menschen Trinkwasser mit über 50 µg Arsen pro Liter konsumieren und rund 15 Millionen von Wasser mit über 10 µg/L (von der WHO empfohlener Grenzwert für Trinkwasser) abhängig sind.

Doch die schiere Grösse Chinas mit Millionen von Grundwasserbrunnen sowie Aufwand und Kosten für die Arsentests bringen es mit sich, dass es wohl noch Jahrzehnte dauern wird, bis alle Brunnen kontrolliert sind. Hier setzt die Forschergruppe der Eawag und der Medizinischen Universität Shenyang an: Die Wissenschaftler haben ein statistisches Modell entwickelt, das sich auf bereits vorhandene Daten stützt – aus Geologie, Topographie und Bodenbeschaffenheit. Ihr Modell haben sie mit verfügbaren Arsenmessungen kombiniert und geeicht. Die Übereinstimmung mit bekannten Problemzonen, beziehungsweise mit Gebieten, in denen die Probenahmekampagnen keine erhöhten Arsenwerte zu Tage gefördert haben, ist sehr hoch.

Zusätzlich wurden nun aber grosse Gebiete neu als potentielle Risikozonen identifiziert, so das Einzugsgebiet des Tarim (Xinjiang), des Ejina (Innere Mongolei), des Heihe (Gansu) oder die nordchinesische Ebene (Henan und Shandong). Auf insgesamt 580‘000 km2 sind demnach Arsenwerte über 10 µg/L zu erwarten. Die Überlagerung dieser Resultate mit den aktuellsten verfügbaren Daten zur Bevölkerung ergab, dass nahezu 20 Millionen Chinesinnen und Chinesen in Gebieten mit erhöhtem Risiko leben. Geochemikerin Annette Johnson räumt ein: «Es mag sein, dass diese Zahl etwas zu hoch ist, denn wir haben keine verlässlichen Informationen darüber, wie viele Leute mit aufbereitetem Wasser versorgt werden.» Doch China wird namentlich in den trockenen Provinzen auch langfristig vom Grundwasser als Trinkwasserquelle abhängig sein. Das Modell sei daher eine Ergänzung zur herkömmlichen Überwachung der Grundwasserqualität. «Unsere Methode lässt gezieltere Probenahmekampagnen zu, spart Zeit und Geld und hilft zu erkennen, wo die Bevölkerung einem Arsenrisiko ausgesetzt ist», sagt die Forscherin. Die chinesische Regierung verwendet die Karten bereits im nationalen Monitoring Programm. Johnson ist daher überzeugt, dass sich das Modell auch in anderen Staaten anwenden lässt, wo hohe Arsenkonzentrationen bekannt sind oder vermutet werden. Zum Beispiel in Afrika oder Zentralasien, wo noch keine Risikoanalysen in Bezug auf Arsen durchgeführt worden sind. 

Arsen
Arsen ist weltweit eine der häufigsten anorganischen Verunreinigungen im Trinkwasser. Das Halbmetall ist natürlicherweise in den Sedimenten des Untergrundes enthalten und wird durch Verwitterung in geringen Mengen im Grundwasser gelöst. Die Salze des Arsens sind geruchs- und geschmacklos, aber für den Menschen sehr giftig. Über längere Zeit eingenommen, können selbst bei tiefen Konzentrationen Gesundheitsschäden auftreten, darunter übermässige Hautpigmentierungen, Funktionsstörungen von Leber, Niere und Herzkreislauf sowie verschiedene Formen von Krebs.
Problematisch ist zum einen, dass der Arsengehalt lokal sehr stark schwanken kann. Zum anderen aber auch, dass vielerorts das Risiko überhaupt nicht erkannt wird, weil weder Brunnen- noch Grundwasser je auf Arsen getestet wurden. Eine Arsenkonzentration über 10 µg/L gilt als problematisch. Dieser Wert wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO daher als Grenzwert im Trinkwasser empfohlen. In China gilt ein Grenzwert von 50 µg/L. in anderen Studien wurden z.B. in der Inneren Mongolei am mehreren Orten Arsenkonzentrationen über 100  µg/L, im Maximum bis zu 1500  µg/L gemessen.

Download der Karten (kmz Files für Overlays in Google Earth,
anfordern bitte bei ( medien@eawag.ch )

Medien
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Wahrscheinlichkeit für Arsenkonzentrationen über 10 µg/L im Grundwasser Chinas. Insgesamt sind rund 580’00 km2 betroffen (=14x die Fläche der Schweiz). Rodriguez-Lado et al., Eawag, 2013.

Karte der möglicherweise von zu hohen Arsenwerten im Wasser betroffenen Bevölkerung in China. Problematisch sind vor allem trockene Regionen, die für die Wasserversorgung zwingend auf Grundwasser angewiesen sind, sowie Risiko-Zonen mit hoher Bevölkerungsdichte. (Zum Vergleich: Die mittlere Bevölkerungsdichte in der Schweiz liegt bei 188 Personen/km2, nur im Mittelland bei rund 400 Personen/km2.)

Arsenicosis at feet; scattered wart- or tumorlike nodi on the sole; toes also are affected; the patient suffers disorder in the blood circulation of toes
(© China Medical University, Shenyang)

Arsenicosis at feet; Advanced case of hyperkeratosis on the sole and toes resembles fish scales
(© China Medical University, Shenyang)

Arsenicosis at hand; coalescing plaques on the palm, especially on the thenar; fingers are seriously affected
(© China Medical University, Shenyang)

Hyperkeratosis on the palms and fingers and spreading towards the wrist; hyperkeratosis plaques have formed on the thenar of the right hand (This patient lost one and a half fingers in an accident and not due to arsenicosis)
(© China Medical University, Shenyang)

Originalpublikation

Groundwater Arsenic Contamination throughout China; Luis Rodríguez-Lado, Guifan Sun, Michael Berg, Qiang Zhang, Hanbin Xue, Quanmei Zheng and Annette Johnson.
DOI http://www.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/science.1237484.

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