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Revival und ökologische Grenzen der Pumpspeicherung
15. August 2018 |
Stauseen sind für die Stabilität des europäischen Stromnetzes von grosser Bedeutung. Weil sich Elektrizität, im Gegensatz zu Öl oder Kohle, nur in kleinen Mengen unmittelbar speichern lässt, muss die Stromwirtschaft jeweils genau so viel Strom produzieren, wie verbraucht wird. Nur so bleibt die Frequenz im Übertragungsnetz konstant in einem sicheren Bereich von 50 Hz.
Die Produktion von Windkraft- und Solaranlagen hängt stark vom Wetter ab. Stehen diese Anlagen still, können Speicherkraftwerke (Stauseen mit natürlicher Wasserzufuhr) und Pumpspeicherkraftwerke (mit zusätzlichem Wasserreservoir in tieferen Lagen) ihre Stromproduktion zum Ausgleich erhöhen. Pumpspeicherkraftwerke bieten zudem die Möglichkeit, Solar- und Windstrom jederzeit zu speichern. Dazu kann in nachfrageschwachen Zeiten überschüssige Wind- oder Solarenergie verwendet werden, um Wasser zum höher gelegenen Reservoir zu pumpen, und dadurch die Produktionskapazität zu erhöhen.
Untersuchung ökologischer Auswirkungen
Um die Energiewende voranzutreiben, steht deshalb vielerorts der Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken zur Debatte. Jedoch kann ein solcher Ausbau zu ökologisch relevanten Veränderungen in den beiden verbunden Seen oder Reservoiren führen. Das hat hauptsächlich zwei Ursachen: Erstens werden mit dem Pumpspeicherbetrieb Wasser und Arten zwischen den Seen ausgetauscht, und zweitens wird im höher gelegenen See das Wasser zum Turbinieren meist aus tiefen Schichten abgeleitet, während es in einem natürlichen See normalerweise oberflächlich abfliesst.
Zwei verschiedene Referenzzustände
Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung dient ein Referenzzustand als Vergleichsbasis zur Beurteilung der Auswirkungen der Pumpspeicherung. Bisher wurde für die Abschätzung der Umweltauswirkungen der Zustand mit Pumpspeicherbetrieb meist nur mit einem einzigen Referenzzustand verglichen. Im Rahmen dieses Eawag-Forschungsprojektes, welches von der SBB AG finanziert wurde, versuchte man die Auswirkungen der Tiefenwasserentnahme von jenen der Pumpspeicherung zu trennen. Dazu wurden zwei Referenzszenarien entworfen, die sich dadurch unterscheiden, dass die Entnahme des Wassers entweder an der Oberfläche oder im Tiefenwasser erfolgt. Dabei ist das erste Referenzszenario vergleichbar mit der Abflusssituation eines natürlichen Sees.
Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen zeigten, dass die Tiefenwasserentnahme allein schon zu erheblichen Unterschieden führen kann. Das Tiefenwasser im Stausee wird deutlich wärmer, die Sauerstoffzufuhr ins Tiefenwasser wird erhöht, und in der Folge werden auch die Nährstoffkonzentrationen beeinflusst. Die Tiefenwasserentnahme allein erklärt allerdings nicht alle Unterschiede: Je nach Menge Wasser, die zwischen den zwei Seen ausgetauscht wird und den Temperatur- und Konzentrationsunterschieden zwischen der Entnahmestelle im einen und der Rückgabestelle im anderen See, werden die Temperatur, sowie der Sauerstoff- und der Nährstoffgehalt weiter beeinflusst.
Beispiel Etzelwerk
Messpunkte am Sihlsee und Zürich-Obersee im Zusammenhang mit dem Etzelwerk.
Für das Etzelwerk, welches von der SBB AG betrieben wird und den Sihlsee mit dem tiefergelegenen Zürich-Obersee verbindet, ergaben die Simulationsrechnungen folgende Ergebnisse: Die Tiefenwasserentnahme führt zu einer deutlichen Erwärmung des Tiefenwassers im Vergleich zum Referenzzustand mit Oberflächenabfluss. Diese Erwärmung kann im Herbst bis zu 10 °C erreichen. Dadurch wird im Herbst die Mischung erleichtert, und die Sauerstoffkonzentrationen steigen im Tiefenwasser ab September wieder an, während sie im Referenzzustand deutlich unter den gesetzlichen Zielwert von 4 mg/L sinken. Beide Effekte werden durch den Wasseraustausch mit dem Pumpspeicherbetrieb weiter verstärkt, beim aktuellen Pumpspeicherbetrieb aber nur in einem geringen Mass. Ein deutlicher Ausbau des Pumpspeicherbetriebs, wobei etwa 20 mal mehr Wasser als heute aus dem Zürichsee in den Sihlsee gepumpt würde, würde die Temperaturen im Tiefenwasser vor allem im Frühling und Sommer nochmals deutlich erhöhen. Zudem würde die Mischung im Winter verstärkt und die Dauer und Dicke der Eisbedeckung deutlich verringert.
Die Situation im Tiefenwasser des Sihlsees wird stark davon beeinflusst, wo das Wasser abgeleitet wird. Die Situation mit einem Oberflächenabfluss (wie bei einem natürlichen See) ist eine hypothetische.
Zu betonen ist, dass man vom Etzelwerk nicht automatisch Rückschlüsse auf andere Pumpspeicherkraftwerke ziehen kann. Generell gilt: man muss die lokalen Gegebenheiten jeweils individuell beurteilen. Allerdings zeigt sich an diesem Beispiel, wie relevant die Wahl eines Referenzszenarios ist.
Mittlerweile haben die SBB entschieden, wie sie das 80-jährige Wasserkraftwerk schrittweise modernisieren wollen; die Kapazität soll aber für den Moment unverändert bleiben. Dafür waren ökonomische Überlegungen ausschlaggebend. Bei einem Kapazitätsausbau wäre die Sanierung zwei- bis dreimal teurer ausgefallen.
Probenahmen auf dem Sihlsee.
(Foto: SBB)
Fachpublikation
Etzelwerk Newsletter der SBB
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1. zu den Untersuchungen [913 KB]
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3. schrittweise Erneuerung [2 MB]
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4. zu den Konzessionsverhandlungen [991 KB]
Finanzierung der Arbeit: SBB AG