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Silber auf Abwegen

25. Februar 2014 | Andri Bryner, Stefan Vogel

Es ist schon länger bekannt, dass Silberpartikel in Form von freien Ionen auf Wasserlebewesen stark toxisch wirken. Bisher fehlte es jedoch an detailliertem Wissen, welche Dosen eine Reaktion hervorrufen und wie die Lebewesen auf den Stress reagieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Wasserforschungsinstitut Eawag haben im Labor Algen unterschiedlichen Silberkonzentrationen ausgesetzt und dabei die Prozesse in den Zellen beobachtet.

In der Vergangenheit gelangte Silber vor allem in der Umgebung von Silberminen und über die Abwässer der Fotoindustrie in die Umwelt – inzwischen hat das sogenannte Nanosilber stark an Bedeutung gewonnen, beispielsweise als Bestandteil von Kosmetika, Lebensmittelverpackungen, Desinfektionsmitteln und Funktionsbekleidungen. Auch wenn eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds kürzlich zeigte, dass ein Grossteil des Nanosilbers in den Abwasserreinigungsanlagen zurückgehalten wird, ist erst wenig bekannt über den Verbleib und die Wirkung des restlichen Nanosilbers in der Umwelt.

Undercover in den Energiestoffwechsel

Smitha Pillai von der Eawag-Abteilung Umwelttoxikologie und ihre Forscherkollegen von der ETH Lausanne und der ETH Zürich untersuchten die Auswirkungen von unterschiedlichen Konzentrationen von Silberionen im Wasser auf die Prozesse in den Zellen der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Da Silber sehr ähnliche Eigenschaften wie Kupfer aufweist, gelangt es über den Transportmechanismus für Kupfer gewissermassen undercover in die Zellen (im Gegensatz zu Silber ist Kupfer als Bestandteil von verschiedenen Enzymen im Energiestoffwechsel ein essentielles Metall). Dies erklärt warum bereits nach kurzer Zeit eine bis zu tausendmal höhere Konzentration in der Zellflüssigkeit im Vergleich zur Umwelt erreicht wird.

Prompte Reaktion

Da Silberionen die Enzyme des Energiestoffwechsels schädigen, sinken die Fotosynthese- und die Wachstumsraten auch bei niedrigen Silberkonzentrationen bereits nach 15 Minuten um bis zu 50%. Die Wissenschaftler konnten im gleichen Zeitraum bei rund 1'000 Genen und Proteinen eine Änderung der Aktivität feststellen. Die Forschenden interpretieren dies als Reaktion der Algen auf den Stressor, um die Schäden zu reparieren. Denn bei niedrigen Silberkonzentrationen erholten sich die Photosynthesekraftwerke in der Zelle innerhalb von 5 Stunden. Nur bei der höchsten Silberkonzentration reichten die Reparaturmechanismen nicht mehr aus und es konnte keine Erholung beobachtet werden.

Viele offene Fragen

Die Messergebnisse wirken auf den ersten Blick beruhigend, da in der Umwelt kaum so hohe Konzentrationen gemessen werden, wie sie teilweise im Laborexperiment angewandt wurden und sich die Algen bei niedrigen Konzentrationen äusserlich rasch erholen. Die Experimente zeigten aber auch, dass bereits niedrige Silber-Konzentrationen einen grossen Effekt auf die Prozesse innerhalb der Zellen haben und die Algen viel Energie für die Reparatur der Schäden aufwenden müssen. Dies könnte dann zum Problem werden, wenn weitere Stressfaktoren auf die Algen wirken, zum Beispiel erhöhte UV-Strahlung oder andere Chemikalien. Zudem ist nicht bekannt, ob es einen Mechanismus gibt, der das Silber aktiv aus den Zellen hinaustransportieren kann. Fehlt ein solcher Mechanismus, könnte Silber in höheren Organismen zu negativen Effekten führen, weil die Algen das erste Glied in der Nahrungskette bilden.

Originalpaper (Freely available online through the PNAS open access option):
Linking toxicity and adaptive responses across the transcriptome, proteome, and phenotype of Chlamydomonas reinhardtii exposed to silver
Smitha Pillai, Renata Behra, Holger Nestler, Marc J.-F. Suter, Laura Sigg, Kristin Schirmer

Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) – early edition 18.February 2014, www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1319388111

Schematische Darstellung, wie Silberionen die Zellen der Grünalge C. reinhardtii beeinflussen. Toxizität auf die Zellen und Reaktionswege in den Zellen konnten aus der Veränderung von Genaktivität und Proteinprofil (Trankskriptom und Proteom) sowie den physiologischen Effekten abgeleitet werden.

Weitere Auskünfte

Prof. Dr. Kristin Schirmer Abteilungsleiterin Tel. +41 58 765 5266 E-Mail senden