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Spin-off der Eawag zeigt neue Wege in der Abwasseraufbereitung
25. August 2017 |
Während fünf Jahren hat ein Forschungsteam der Eawag daran gearbeitet, in Südafrika ein erschwingliches Sanitärsystem zu erarbeiten, mit dem Nährstoffe aus Urin zurückgewonnen und daraus Dünger hergestellt werden kann. Mit Abschluss des Projektes 2015 ist dies dem Team um Projektleiter Kai Udert und Projektkoordinator Bastian Etter gelungen. Seit Februar 2016 ist der «Aurin» Recycling-Dünger vom Bundesamt für Landwirtschaft offiziell zur Düngung von Blumen, Zierpflanzen und Rasen zugelassen.
Mit dieser neuartigen Form des Abwasserrecyclings werden aus einem «Abfallprodukt» wertvolle Nährstoffe gewonnen, die konventionell mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen. Aufwändige und energieintensive Verfahren in Kläranlagen fallen weg. Genau solche unkonventionelle Lösungen, mit denen Wasser gespart und Abwasser sinnvoll genutzt wird, möchte der neue Spin-Off der Eawag verbreiten. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer und Umweltingenieur Bastian Etter.
Was bietet der Spin-off Vuna für Dienstleistungen an?
Mit Vuna entwickeln wir Konzepte und Lösungen für Abwasser- und Wasseraufbereitung überall dort, wo unkonventionelle Modelle gefragt sind. Das sind zum Beispiel Fälle, bei denen es keine Anschlüsse an die regulären Abwasserkanäle hat oder wo Wasser schwer zugänglich ist. Zu unseren Aufgaben gehören Konzeptentwicklung, Planung, Design und Umsetzung, sprich Bau. Das System der Urinaufbereitung, welches wir im Projekt VUNA an der Eawag erarbeitet haben, ist genau diese Art von Lösung, welche wir für unsere zukünftigen Kunden erarbeiten wollen. Grundsätzlich geht es darum mit neuen Lösungsansätzen ein brauchbares Produkt aus Abwasser zu erzeugen.
.. das Bedürfnis nach unkonventionellen Lösungen habt ihr bereits während dem Projekt VUNA an der Eawag festgestellt?
Genau. Gegen Ende des Projekts an der Eawag haben wir eine Marktstudie gemacht und gemerkt, dass die Zahl der potentiellen Abnehmer einer Urinaufbereitungsanlage im Moment noch eher gering ist. Aufgefallen ist uns aber die grosse Nachfrage für Gesamtsysteme, die Wasser- und Nährstoffkreisläufe schliessen. Insgesamt wird es ein immer grösseres Bedürfnis, Wasser zu sparen, und etwas Sinnvolles aus Abwasser zu gewinnen. Zudem wird auch das aktuelle System mit unseren Kläranlagen hinterfragt, wo gemischtes und mit Trinkwasser gespültes Abwasser in einem aufwändigen Verfahren wieder getrennt werden muss. Wir möchten unseren Kunden individuelle und umweltfreundliche Alternativen bieten.
Gibt es oft Fälle, wo konventionelle Lösungen nicht praktikabel sind?
Immer mehr. Klassisches Beispiel sind die Hütten des Schweizer Alpen-Club (SAC): Jede Hütte ist anders, es gibt kein Standardsystem, welches in jeder Hütte angewendet werden kann. Der Zugang zu Wasser und zur Kanalisation ist meist schwierig oder inexistent, was nach individuellen Lösungen fernab von unserem Kläranlagen-System verlangt. Mit diesem konventionellen System verbrauchen wir so oder so zu viel wertvolles Trinkwasser, mit dem wir zum Beispiel unsere Toiletten spülen. Ein anderes Extrem ist die Situation in der Stadt Paris, die mit der Abwasseraufbereitung total am Anschlag und dadurch gezwungen ist, neue und nachhaltige Lösungen zu finden.
In Frankreich und speziell Paris habt ihr bereits bevorstehende Projekte.
Wir sehen in Frankreich wirklich grosses Potenzial. In der Stadt Paris gibt es viele Industriebrachen. Anstatt diese einfach zu verkaufen, hat die Stadtregierung einen Wettbewerb lanciert, bei dem man sich mit Projekten zur kreativen und nachhaltigen Verwendung dieser Gebäude bewerben kann. Die Ideen, die dort zusammenkommen, sind extrem inspirierend und zukunftsorientiert. So gibt es eine alte Wasseraufbereitungsanlage, in der in riesigen Becken Wasser aus der Seine zu Trinkwasser aufbereitet wurde. Diese wird aber nicht mehr genutzt. Nun soll dort eine Wohnüberbauung aus modularen Holzhäusern entstehen und die Becken mit Fischzucht und Gewächshäusern nachhaltig genutzt werden. Für diese Überbauung hatten wir unser Konzept zur Abwasseraufbereitung eingereicht. Zudem will die Stadtverwaltung unser Urinaufbereitungssystem testen. Im zur Kläranlage dazugehörigen Verwaltungsgebäude mit 300 Arbeitsplätzen wurden dazu bereits No-Mix Toiletten eingebaut.
Was hat dich dazu bewogen, einen Spin-off zu gründen?
Für mich war es schon immer ein Anliegen, dass unsere Forschung in die Praxis einfliesst. Mit dem VUNA-Projekt haben wir sehr angewandte Forschung gemacht und ein System entwickelt, welches kommerzialisiert werden kann. In der Vergangenheit habe ich bereits ab und zu Beratungen gemacht, dies nun aber mit einer eigenen Firma zu machen, ist für mich persönlich ein grosses Feld neuer Möglichkeiten – und Herausforderungen!
Was sind eure mittel- bis langfristigen Ziele?
Unser Ziel ist klar, dass wir unser Team und unser Portfolio weiter ausbauen können. Philippe Reymond, der aktuell in der Abteilung Sandec der Eawag arbeitet, wird im Oktober zu unserem Team stossen. Geplant ist, dass er speziell im Bereich der Sanitärversorgung in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe arbeiten wird. Unsere bewährte Urinaufbereitungsanlage möchten wir an so vielen Orten wir möglich einbauen und betreiben.
Was sind die grössten Herausforderungen innerhalb des Spin-offs?
Alles unter einen Hut zu bringen. Im Moment ist die Hauptarbeit Akquisition und Konzeptarbeit. Wir möchten so bald als möglich weitere Projekte akquirieren und dort aktiv Umsetzen können. Mit unseren Kenntnissen können wir Lösungen entwickeln, die ein normales Ingenieurbüro vermutlich nicht in Betracht ziehen würde.
Bastian Etter
Bastian Etter ist diplomierter Umweltingenieur EPFL. Er arbeitet seit rund einem Jahrzehnt im Bereich dezentraler Abwasser- und Wasseraufbereitung. Ebenso lang arbeitet er an der Eawag, als Projektmitarbeiter im STUN-Projekt in Nepal, Projektkoordinator des VUNA-Projektes und aktuell als Koordinator der Forschungsplattform Water Hub im Forschungsgebäude NEST. Seit 2016 leitet er die Vuna GmbH als Geschäftsführer.