Archiv Detail

Stickstoff im frühen Ozean – unterschätzte Bakterien treten ins Rampenlicht

6. August 2021 | Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Claudia Carle (Eawag)

Bislang wurde angenommen, dass vor allem Cyanobakterien dafür verantwortlich waren, in der Frühzeit unseres Planeten Stickstoff aus der Atmosphäre zu fixieren und dadurch in die Biosphäre einzubringen. Ein Team von Forschenden aus Deutschland und der Schweiz zeigt nun in einer heute bei «Nature Communications» erschienenen Publikation, dass auch Schwefelpurpurbakterien substanziell zur Stickstofffixierung beigetragen haben könnten.

Stickstoff ist unverzichtbar für alle Lebensformen: Er ist Teil von Eiweissen, Nukleinsäuren und anderen Zellstrukturen. Deswegen  war es für die Entwicklung des Lebens auf der frühen Erde von grosser Bedeutung, gasförmigen Stickstoff aus der Atmosphäre in eine bioverfügbare Form - Ammonium - umwandeln zu können. Wer damals aber diese sogenannte Stickstofffixierung durchgeführt hat, und mit Hilfe welchen Enzyms, ist bisher nicht geklärt. Nun zeigt ein Team von Forschenden des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, der Eawag, der ETH Zürich sowie der Fachhochschule Südschweiz, dass unter ähnlich kargen Bedingungen wie im proterozoischen Ur-Ozean eine bislang unterschätzte Bakteriengruppe sehr effizient Stickstoff fixieren kann.

Ein «kleiner Ur-Ozean» im Tessin

Da der frühe, proterozoische Ozean nun einmal nicht mehr für direkte Untersuchungen zur Verfügung steht, nutzten die Forschenden einen vergleichbaren Lebensraum: den Tessiner Cadagno-See. Anders als die meisten anderen Seen ist der Cadagno-See stabil geschichtet, die oberen und unteren Wasserschichten mischen sich also nicht. In der Übergangsregion zwischen der oberen, sauerstoffhaltigen und der unteren, sauerstofffreien und sulfidhaltigen Schicht leben Schwefelpurpurbakterien. Sie kommen ohne Sauerstoff aus, betreiben Photosynthese und oxidieren Schwefel. «Der Fund von Fossilien dieser Gruppe von Mikroorganismen weist darauf hin, dass sie schon vor mindestens 1,6 Milliarden Jahren, also im Proterozoikum, auf unserer Erde lebten», so Erstautorin Miriam Philippi vom Bremer Max-Planck-Institut. «Wir haben es bei diesem See und mit diesen Bakterien also mit einem System zu tun, das viele Gemeinsamkeiten mit dem frühen Ozean hat.» Deshalb eignet sich dieser auch so gut, um mehr über die Prozesse auf der frühen Erde zu erfahren.

Schwefelpurpurbakterien fixieren Stickstoff

Mit einer Kombination aus biogeochemischen und molekularen Analysen entdeckten Philippi und ihre Kolleginnen und Kollegen, dass die Schwefelpurpurbakterien sehr effizient Stickstoff fixieren. Stickstofffixierung ist die Umwandlung von wenig reaktionsfreudigem Stickstoffgas aus der Atmosphäre zu Stickstoffverbindungen, die auch andere Organismen nutzen können, zum Beispiel Algen. «Soweit wir wissen, ist das der erste Nachweis von Stickstofffixierung durch in der Umwelt lebende Schwefelpurpurbakterien», erklärt Mitautorin Katharina Kitzinger vom Bremer Max-Planck-Institut. «Wir stellten fest, dass sie dazu das heutzutage am weitesten verbreitete Enzym, die Molybdän-Nitrogenase, nutzen. Obwohl dieses Enzym nicht selten ist, waren wir sehr überrascht, es im Cadagno-See zu finden.» Denn dort gibt es äusserst wenig Molybdän im Wasser – genauso wie im proterozoischen Ozean. Deswegen nahm man an, dass auf der frühen Erde Nitrogenasen ohne Molybdän vorherrschten.  «Die Molybdän-Nitrogenase funktioniert also auch bei niedrigen Konzentrationen von Molybdän ganz hervorragend.»

«Wir liefern damit den ersten Hinweis, dass Schwefelpurpurbakterien für die Stickstofffixierung im frühen Ozean mitverantwortlich gewesen sein könnten», so Philippi weiter. «Bisher wurde zumeist angenommen, dass Cyanobakterien den Grossteil der Stickstofffixierung ausführten. Nun zeigen wir, dass die Rolle der Schwefelpurpurbakterien in diesem Prozess unterschätzt wurde.»
 

Fluoreszenzbilder von Schwefelpurpurbakterien im Süßwassersee Cadagno (obere Panele, in Grün und Purpur), sowie deren Einzelzell-Stickstoff-Fixierung, gemessen am nanoSIMS (untere Panele, warme Farben bedeuten höhere Aktivität).
(© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/M. Philippi)

Titelbild: M. Philippi

Originalpublikation

Philippi, M.; Kitzinger, K.; Berg, J. S.; Tschitschko, B.; Kidane, A. T.; Littmann, S.; Marchant, H. K.; Storelli, N.; Winkel, L. H. E.; Schubert, C. J.; Mohr, W.; Kuypers, M. M. M. (2021) Purple sulfur bacteria fix N2 via molybdenum-nitrogenase in a low molybdenum Proterozoic ocean analogue, Nature Communications, 12, 4774 (12 pp.), doi:10.1038/s41467-021-25000-z, Institutional Repository