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19. August 2021 |
Die Bildserie mit Erfan Haghighi, Fatima Alkhatib, Dimitris Antonakis, Stanley Sam und Xiao Shan Yap ist im Rahmen des Fotojournalismus-Studiengangs entstanden, den Christian Dinkel am MAZ in Luzern absolviert.
Erfan Haghighi
Die Weltpolitik am eigenen Leib spüren: Erfan Haghighi weiss wie sich das anfühlt. Im Jahr 2016 schloss der amerikanische Präsident Donald Trump für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern mit seinem «Muslim Ban» die Grenzen, auch Iranerinnen und Iranern. Haghighi, ein gebürtiger Iraner, trat wenige Monate zuvor eine Postdoc-Stelle am MIT an – quasi in letzter Minute vor dem Ban betrat er amerikanischen Boden.
Seine Frau Maryam nicht. Zu der Zeit doktorierte sie an der Universität Bern, erhielt aber kein Visum, um in die USA zu reisen. Auch Erfan Haghighi durfte das Land nicht verlassen, da er ansonsten nicht mehr hätte einreisen können. «Das war eine unglaublich aufwühlende Zeit.» Weil Demokraten das verhängte Einreiseverbot vor Gericht zogen, ergab sich ein kurzes Fenster von wenigen Wochen, um als Muslim in die USA reisen zu dürfen. «Meine Frau kündete Hals über Kopf ihren PhD, stieg in den Flieger und fand glücklicherweise schnell eine Stelle an der Universität Harvard.»
Vor seinem USA-Aufenthalt studierte Haghighi Maschinenbau an der Technologischen Universität Sharif in Teheran (Iran) und absolvierte an der ETH Zürich seinen PhD. Während dieser Zeit gewann er die Schweiz sehr gerne: Die Landschaft, das Wetter - sogar das Schweizerdeutsche. So gefiel Erfan und Maryam Haghighi das Leben in Boston zwar. Trotzdem entschieden sie sich zurück in die Schweiz zu ziehen, als Erfan Haghighi im Jahr 2018 ein Angebot der Eawag und Universität Zürich in der Fernerkundungsgruppe der Abteilung W+T erhalten hatte. Seit Anfang 2020 arbeitet er nun als Leiter Forschung und Entwicklung für ein Startup in Zürich. Dieses spezialisiert sich darauf, mithilfe von Pflanzen, Sensoren und Big Data die Luftqualität in Büroräumen zu verbessern und die Temperatur zu regulieren. «Das ist viel umweltfreundlicher als Klimaanlagen», sagt er.
Einzig die iranische Küche fehlt ihm manchmal. «Ursprünglich stamme ich aus einem iranischen Ort, der sich City of Food and Tea nennt». Der Ort namens Lahijan liegt im Norden Irans nahe des Kaspischen Meers, wo der Boden Tee, Reis, Gemüse und Früchte hervorbringt. Verspürt er besonders Lust nach iranischem Essen, gönnt er sich persisches Kebab in seinem Lieblingsrestaurant. Um die Kalorien derweil muss er sich keine Gedanken mache, denn diese verbrennt er beim Fussballspielen, Superkondi BodyAttack und Rennen – sei es während eines Sonntagvormittag-Laufs, an der Sola-Stafette oder gar an einem Marathon.
Fatima Alkhatib
«Mein Traumberuf war schon immer Chemielaborantin», sagt Fatima Alkhatib, die unglaublich schnell und beinahe fehlerfreies Deutsch spricht. Das, obwohl sie erst vor knapp fünf Jahren aus Syrien in die Schweiz kam.
Damals dauerte der Bürgerkrieg in Syrien schon mehrere Jahre. Als immer mehr Männer an die Front berufen wurden, flüchtete sie mit der ganzen Familie – ihren Eltern, den zwei Brüdern und vier Schwestern – zu einer Tante, die bereits lange in der Schweiz wohnt.
Fatima Alkhatib ist inzwischen 24 Jahre alt. In Syrien absolvierte sie das Gymnasium und studierte an der Universität Damaskus Bauingenieurwesen. Als während des 3. Semesters eine Bombe gleich in der Nähe der Uni einschlug, brach sie das Studium ab. Nun an der Eawag beginnt sie nochmals von ganz vorne und lehrt Chemielaborantin.
«Es war schon hart, wieder bei null anzufangen, nur weil meine Abschlüsse aus Syrien hier in der Schweiz keinen Wert haben», sagt Fatima. An das erste Jahr hier in der Schweiz erinnert sie sich denn auch nicht sehr gerne zurück: Nicht nur das Wissen um Familienmitglieder und Freundinnen, die sich immer noch im Kriegsgebiet befanden, sondern auch eine neue Sprache zu lernen, war hart.
Doch sie lernte schnell. Nach einem Jahr konnte sie sich in Deutsch unterhalten, was ihr ein Praktikum als Chemielaborantin an der ZHAW ermöglichte. Eine Lehrstelle danach zu finden, war allerdings nicht einfach. «Umso schöner war es, als ich die Zusage an der Eawag bekommen habe», sagt Fatima.
So hat Alkhatib ihr Ziel denn auch klar vor Augen: Nach Lehrabschluss möchte sie wieder studieren gehen, «am liebsten Chemie oder Chemieingenieurin.» Will sie auch in der Schweiz bleiben? «In naher Zukunft auf alle Fälle», sagt sie. Inzwischen hat sie sich in ihrem neuen Zuhause eingelebt, die Natur und das Wandern zu lieben gelernt.
Dimitris Antonakis
Verstaubt ist Dimitris Antonakis definitiv nicht, im Gegenteil. Mit diesem veralteten Bild des Bibliothekars hat der Grieche, der seit Anfang 2019 in der Lib4RI arbeitet so gar nichts gemein. Bereits in Griechenland arbeitete Dimitris Antonakis als Bibliothekar und Informationswissenschaftler und es war die Leidenschaft für seinen Beruf, die ihn dazu anspornte, mit seiner Familie in ein anderes Land auszuwandern und eine andere Kultur zu entdecken. Heute ist er ehrlich, in die Schweiz hat ihn die passende Stelle in der Lib4RI gebracht, doch eigentlich standen die USA ganz oben auf seiner Landesliste. Natürlich spielte auch die Finanzkrise und die wirtschaftliche Situation in Griechenland eine Rolle. «Seine Heimat zu verlassen ist ein grosser Schritt, aber als unsere Tochter zur Welt kam, war klar, dass wir uns dieser Herausforderung stellen wollen», erzählt Antonakis.
Heute kümmert er sich als Mitglied des Teams E-Ressourcen & IT-Dienste um den Erwerb und die Verwaltung elektronischer Ressourcen. «In den letzten Jahren konzentrierte sich die Lib4RI stark auf den Übergang von gedruckten Sammlungen zu Online-Informationsdiensten, was uns auch sehr während der Pandemie geholfen hat», erklärt Antonakis nicht ganz ohne Stolz.
Eine recht sportliche Gangart legte die Familie auch beim Start in der Schweiz vor. Antonakis, seine Frau und seine zweieinhalbjährige Tochter plus Familienhund reisten erst ein paar Tage vor dem ersten Arbeitstag in Dübendorf an. Anfangs war es nicht ganz leicht sich einzuleben, erzählt er heute. Ein fremdes Land, die ungewohnte Umgebung und natürlich die neue Stelle und das alles in wenigen Tagen, aber die Faszination in ein anderes Land zu ziehen, eine andere Kultur kennenzulernen und sich darin zu integrieren überwog und das bis heute. «Wir sind super glücklich hier, denn die Schweizer Mentalität entspricht uns sehr. Der Umgang miteinander ist hier einfach anders – respekt- und rücksichtsvoller.» Auch seine Frau sieht das so, obwohl sie in der Schweiz nicht mehr in ihrem gelernten Beruf als Polizistin arbeiten kann, sondern nun in einem Büro tätig ist, fühlt sich die ganze Familie in der Schweiz mittlerweile Zuhause. «Wir sind hier wirklich angekommen. Meine Tochter besucht den Eawag/Empa Kinderpavillon und wächst so bereits integriert auf.»
Und wenn sich Antonakis mal nicht durch die E-Ressourcen der Lib4RI wühlt, treibt er Sport. Beach-Volleyball um genau zu sein. Aber auch sonst, wird es dem Griechen nicht langweilig, denn aktuell stellt er sich einer wahren Herausforderung, die echtes Durchhaltevermögen erfordert: Deutsch lernen.
Stanley Sam
Einfach empfand Stanley Sam seinen Start in der Schweiz vor gut zwei Jahren nicht. Erstens kam sein Sohn nur einen Monat nach seiner Abreise aus Ghana an die Eawag zur Welt. «Das war denkbar schlechtes Timing», sagt er. Besuchen ging er seine junge Familie drei Monate später, im vergangenen Jahr waren sein Sohn und seine Frau für einen Monat bei ihm zu Besuch.
Zweitens überraschte ihn die typische, etwas verschlossene Schweizer Mentalität. Denn nach seinem Bachelorstudium in Ghana absolvierte er seinen Master in Umwelt-Biotechnologie in Istanbul. «Naiverweise dachte ich, die europäische Kultur dadurch zu kennen», sagt er nun lachend. «Aber nun ist mir klar, dass Istanbul doch ganz anders als die Schweiz ist.»
Aber: «An der Eawag fiel es mir trotz allem einfach, mich einzuleben. Denn hier treffen Menschen aus vielen Ländern aufeinander und gehen sehr offen miteinander um», erzählt Sam, der den vollen Namen Stanley Bortse Kweku Sam trägt. Dabei ist «Stanley» sein sogenannter christlicher Name, «Bortse» der ghanaische und «Kweku» bedeutet Mittwoch. Das ist der Wochentag, an dem er geboren wurde – und wie alle Ghanaerinnen und Ghanaer trägt er diesen Tag in seinem Namen.
Ausserhalb der «Eawag-Blase» fand er es bisher schwierig, Menschen in der Schweiz kennenzulernen. Um dem entgegen zu wirken, lernt Sam inzwischen fleissig Deutsch. Ausserdem schloss er sich dem Empa-Eawag-Fussballteam an, um einmal in der Woche seinem sportlichen Hobby nachzugehen.
Bevor Sam an die Eawag kam, arbeitete er als Ingenieur auf einer Abwasserreinigungsanlage einer Goldmine im Norden Ghanas. Weil er – wie er von sich erzählt – die Herausforderung sucht und Routine scheut, blickte er sich nach vier Jahren nach etwas gänzlich Neuem um. Fündig wurde er in einem Stellenangebot der Eawag, das eine Doktorarbeit in der Abteilung Sandec beinhaltete. Nun betreibt Sam Grundlagenforschung, um Technologien zu entwickeln, die die Entwässerung von Fäkalschlamm ermöglichen.
Aus der Heimat vermisst Sam nicht nur seine Familie, sondern manchmal auch das ghanaische Nationalgericht: Fufu. Dieses ähnelt einem Kartoffelstock, aber statt Kartoffeln kommen Maniok, Yams und Kochbananen rein. Aber nicht nur wegen seiner Familie oder es Essens wegen möchte er nach Abschluss seines PhDs zurück nach Afrika, sondern: «Ich glaube, dass ich in Afrika mit meinem Wissen viel bewirken kann», sagt er. «Denn beim Management von Abwasser und Fäkalschlamm gibt es in weiten Teilen des Kontinents noch sehr viel zu verbessern.»
Xiao Shan Yap
Xiao-Shan Yap aus Malaysia wusste schon immer, dass sie eine international tätige Wissenschaftlerin sein würde. Bereits mit 22 Jahren gründete Yap mit vier Freunden ein Startup für mobile Wissenschaftsausstellungen. Nach drei Jahren mussten die Freunde zwar aufgeben, jedoch nicht ohne aus der Erfahrung des Scheiterns zu lernen. «Es machte mich unabhängig, neugierig und motivierte mich, einen neuen Weg einzuschlagen». Sie startete in ihrem Heimatland Malaysia eine Doktorarbeit zum Thema industrielles Wachstum in Entwicklungsländern.
Schon während ihrem Doktorat begann sie um die Welt zu reisen. Sie besuchte zahlreiche internationale Konferenzen, um sich zu vernetzen. Dort traf sie auch einen Doktoranden von der Eawag. «Am Ende meiner Doktorarbeit wusste ich, dass ich Malaysia verlassen und neue Möglichkeiten erkunden wollte». Sie kontaktierte den Doktoranden, weil sie Synergien mit dessen Forschungsinteressen sah. «Bernhard Truffer, Leiter der Abteilung Umweltsozialwissenschaften an der Eawag, schlug mir vor, mich um ein Bundes-Exzellenz-Stipendium der Schweiz zu bewerben». Und sie war erfolgreich.
So kam Yap in die Schweiz. Von 2015 bis 2017 war sie als Postdoc an der Eawag und forschte zum Thema Nachhaltigkeit im Entwicklungszusammenhang. Während dieser Zeit ging sie nach China, um deren Membranbioreaktor-Industrie für die Abwasserbehandlung zu verstehen. Dann bewarb sie sich um ein Marie-Skłodowska Curie Stipendium der Europäischen Kommission, erhielt es und zog weiter nach Utrecht. In den folgenden zwei Jahren forschte sie über die Dynamik der Photovoltaikindustrie in Deutschland, China und Malaysia.
Seit Mai 2019 ist Yap als Wissenschaftlerin zurück an der Eawag, wo sie nun ihre bisherigen Forschungsfelder miteinander verbindet: Nachhaltigkeit und industrielles Wachstum in Entwicklungsländern. «Ich beschäftige mich jetzt damit, wie Entwicklungsländer wirtschaftliches Wachstum und gleichzeitig den Übergang zur Nachhaltigkeit erreichen können.». Ihr Projekt an der Eawag befasst sich mit den Unternehmen aus der Wasserbranche und Innovationen in Indien und Südafrika bei der Bekämpfung ihrer Wasserkrise. Gleichzeitig setzt sie ihre Arbeit an der Universität Utrecht als Gast-Assistenzprofessorin fort. «So kann ich die Ressourcen hier an der Eawag und an der Universität Utrecht gut miteinander verbinden».
Titelbild: Eawag, Christian Dinkel