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«Wir sollten keine Angst vor Bakterien haben»

15. Februar 2018 | Mirella Wepf

In einem Duschschlauch befinden sich oft mehr Bakterien als im gesamten Trinkwasserleitungssystem eines Hauses. Frederik Hammes und sein Team befassen sich seit vier Jahren intensiv mit diesem Thema. Für Ihre neueste Forschungsarbeit haben sie 78 Duschschläuche aus 11 Ländern unter die Lupe genommen. In 21 Schläuchen fanden sie Legionellen, einen potenziellen Krankheitserreger. Warum dies dennoch kein Grund zu grosser Sorge ist, erklärt Hammes im Interview.

Warum sind Duschschläuche für Sie ein derart interessantes Thema?

Da muss ich etwas ausholen: Die Forschung hat sich in den letzten Jahren verstärkt der Trinkwasserqualität in Gebäuden zugewandt. Dies aus gutem Grund: Über 80 Prozent der Gesamtlänge des Trinkwassernetzes befinden sich heute innerhalb von Gebäuden. Die Schweiz gehört zu den Ländern, die über eine Trinkwasserversorgung von hoher Qualität verfügen, aber sobald das Wasser ins Haus gelangt, wird die Wasserqualität nur noch unregelmässig bis gar nicht kontrolliert.

Es macht sicherlich Sinn, mehr über die Mikrobiologie des Wassers in Gebäuden in Erfahrung zu bringen. Die Eawag hat dabei eine führende Rolle übernommen. Mittlerweile wissen wir beispielsweise, dass sich in einem Duschschlauch mengenmässig oft mehr Bakterien befinden, als im ganzen restlichen Leitungssystem des Hauses. 99 Prozent davon im Biofilm, der sich auf der Innenseite des Schlauchs bildet, 1 Prozent im Wasser.

Wie lässt sich das erklären?

Leitungen bestehen aus Metall oder hochwertigen Kunststoffen, Duschschläuche sind mit weichem und qualitativ minderwertigem Kunststoff ausgekleidet. Daraus löst sich organischer Kohlenstoff, was die Ansiedlung und das Wachstum von Bakterien begünstigt. Zudem bleibt immer etwas Wasser in Duschschläuchen stehen, was das Wachstum der Biomasse ebenso fördert wie die warmen Temperaturen, die in Duschräumen vorherrschen.

Wie gefährlich ist das? Ich denke da beispielsweise an die Legionärskrankheit.

In Panik zu verfallen wäre falsch. Wir haben alles in allem eine sehr gute Trinkwasserqualität. Und ein gewisses Mass an Organismen im Trinkwasser ist schlicht normal.

In Bezug auf die Gesundheitsvorsorge gibt es fünf bis sechs potenzielle Krankheitserreger im Trinkwasser, die wir im Auge behalten, darunter Legionellen, Pseudomonaden oder Mykobakterien. Dabei handelt es sich um sogenannte opportunistische Krankheitserreger. Das heisst: Ein gesunder Mensch nimmt in der Regel keinen Schaden, wenn er damit in Berührung kommt, aber für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können sie gefährlich werden. Das geschieht zum Glück sehr selten.

In der Schweiz erkranken jedoch immer mehr Menschen an Legionellose. 2017 waren dies laut Bundesamt für Gesundheit 496 Personen.

Das ist tatsächlich eine problematische Entwicklung. Dieser Trend ist weltweit zu beobachten, die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Möglicherweise erkennt man die Krankheit heute besser als früher. Zudem haben sich unsere Lebensumstände verändert. Wir verbringen den Alltag weniger draussen, sondern in Räumen, und moderne Häuser verfügen über eine ganz andere Ausstattung.

Die Legionellose wird durch das Einatmen von zerstäubten Wassertröpfchen ausgelöst, die bestimmte Typen von Legionellen enthalten. Diese leben in natürlichen Gewässern, finden sich aber auch in Trinkwassersystemen, Klimaanlagen, Whirlpools oder Luftbefeuchtern. Wir kommen immer häufiger mit solchen technischen Einrichtungen in Kontakt.

In Wassersystemen, in denen das Wasser nicht konstant erneuert wird – also in stehendem Wasser – und sich die Temperatur zwischen 25 °C und 45 °C bewegt, können sich Legionellen besonders gut vermehren.

Zu welchen Präventionsmassnahmen raten Sie?

Wie gesagt: Wir sprechen hier von sehr wenigen Einzelfällen. Man muss deshalb nicht alles auf den Kopf stellen. Aber im Sinne einer guten Vorsorge gibt es in verschiedenen Bereichen durchaus Verbesserungspotenzial. Das fängt schon beim Bau des Hauses und der fachgerechten hygienischen Installation der Trinkwasserleitungen an. Und um den letzten Meter dieses Systems möglichst gut zu gestalten, würde ich beim Bau einer neuen Dusche eher ein Modell ohne Schlauch empfehlen. Spitäler setzen heute als Alternative vielfach Einweg-Duschschläuche ein.

Dieser innenliegende Plastikschlauch eines Duschschlauchs ist mit einem braunen, eisenhaltigen Biofilm überzogen.
(Foto: Frederik Hammes, Eawag)

Als Mieterin muss ich meinen Duschschlauch selber ersetzen. Worauf achte ich beim Kauf?

Den optimalen Schlauch gibt es nicht. Zudem gibt es praktisch keine Modelle aus zertifiziertem Material. Der Grund dafür liegt darin, dass das Wasser aus dem Duschschlauch vom Gesetzgeber nicht als Trinkwasser eingestuft wird, obwohl es aus derselben Quelle stammt. Die Vorschriften sind dementsprechend weniger streng. Um zertifizierte Schläuche in hoher Qualität zu bekommen, werden die Konsumenten bei den Produzenten etwas Druck aufsetzen müssen.

Sollte künftig die Trinkwasserqualität auch in Gebäuden stärker kontrolliert werden?

In öffentlichen Gebäuden wie Spitälern und Altersheimen geschieht dies teilweise bereits, auch in Schulen oder Sportstätten könnte dies künftig vermehrt der Fall sein. Ich glaube jedoch nicht, dass dies in Privathäusern machbar sein wird und von den Bewohnern erwünscht wäre. Im Moment lässt sich auch auf politischer Ebene kein Trend in diese Richtung erkennen. Ich bin der Überzeugung, dass eine hohe Sorgfalt beim Bau der entsprechenden Infrastrukturen und ein gutes Betriebsmanagement mehr bringen als Kontrollen im Nachhinein.

Wer Energie sparen will, soll die Boilertemperatur tiefer stellen. Zu welcher Temperatur raten Sie?

60 Grad Celsius sind mittlerweile international als minimaler Richtwert anerkannt. Bei tieferen Temperaturen können sich Legionellen und andere Krankheitserreger vermehren.

In Ihrer neuesten Forschungsarbeit hat Ihr Team unter anderem 78 Duschschläuche aus 11 Ländern untersucht. Wie lauten die wichtigsten Erkenntnisse?

Für mich als Mikrobiologen war es faszinierend zu sehen, wie gross die Anzahl der im Biofilm vorhandenen Bakterien ist, und wie unterschiedlich die einzelnen Biofilme zusammengesetzt sind. Zudem sind Biofilme offensichtlich eine selektive Umgebung. Im Wasser fanden wir zwischen 2000 und 10'000 verschiedene Bakterientypen im Biofilm des Duschschlauchs jeweils nur 200 bis 400. Das ist eine neue Erkenntnis. Auffallend war ausserdem, dass sich in Trinkwassersystemen mit starker Chlorierung deutlich weniger Bakterien befinden. Auch die Artenvielfalt ist geringer.

Mikroskopaufnahme des Biofilms auf der Innenseite eines Duschschlauchs bestehend aus verschiedenen Bakterien und Schleim. (Foto: Center for Microscopy and Image Analysis, Universität Zürich)

Sollten wir unser Wasser also stärker chlorieren?

Nein, absolut nicht! Als Forscher meine ich ganz klar: Wir sollten keine Angst vor der Biologie haben. Bakterien leben ja auch auf unserer Haut oder im Darm. Zudem besteht das Risiko, dass sich chlorresistente Bakterien bilden.

Was haben Sie in Bezug auf potenzielle Krankheitserreger herausgefunden?

Legionellen fanden wir nur in 30 Prozent aller Schläuche – für mich ein überraschender Befund. Ich hätte eher mit 100 Prozent gerechnet. Was für uns spannend war: Schläuche mit vielen Legionellen enthalten wenig Pseudomonaden und umgekehrt. Das heisst: Finden wir eine Lösung, um die Legionellen einzudämmen, schaffen wir unter Umständen vielleicht ein Problem mit Pseudomonaden.

Und wie geht Ihre Forschung jetzt weiter?

Eine meiner Doktorandinnen untersucht derzeit, wie die Besiedlung eines Duschschlauchs überhaupt vor sich geht. Zudem interessiert uns die Frage, wie man die Bakterienzusammensetzung des Biofilms in Trinkwasserleitungen eines Gebäudes positiv beeinflussen kann, beispielsweise durch die gezielte Beimpfung mit Bakterien, die wir als gutartig einstufen. Das Thema "Trinkwasser in Gebäuden" wird uns also noch ein paar Jahre lang beschäftigen.

Bundesrat Johann Schneider-Ammann begutachtet die Teststation mit den Duschschläuchen an der Eawag.
(Foto: Andri Bryner, Eawag)

Trinkwasserqualität in Gebäuden
Mikrobielles Wachstum in Hausinstallationen ist auch mit der besten Trinkwasseraufbereitung unvermeidbar und kann für Konsumenten ein Risiko darstellen, wenn sich zum Beispiel opportunistische Pathogene in den Biofilm einnisten. In den letzten fünf bis sechs Jahren hat sich die Eawag intensiv mit diesem Thema beschäftigt, sei es im Rahmen von Nationalfonds- oder KTI-Projekten oder mit Forschungsgeldern der EU. Im Dezember 2017 wurden in der Fachzeitschrift «Water Research» die Resultate des neuesten Forschungsvorhabens «Biofilms in shower hoses» (Biofilme in Duschschläuchen) publiziert. Finanziert wurde dieses Vorhaben durch das Marie-Sklodowska-Curie Actions Initial Training Network.
Die Eawag hat dabei zum Ziel, unter Berücksichtigung der verwendeten Schlauchmaterialien die wichtigsten Triebkräfte zu identifizieren, die das mikrobielle Wachstum und die Zusammensetzung der mikrobiellen Gesellschaften in diesem einzigartigen Habitat steuern. Die Identifikation dieser Faktoren kann dazu beitragen, Trinkwasser-Mikrobiome zukünftig nachhaltig zu lenken und zu kontrollieren. 

Originalpublikation

Proctor, C. R., Reimann, M., Vriens, B., & Hammes, F. (2018). Biofilms in shower hoses. Water Research, 131, 274-286. http://doi.org/10.1016/j.watres.2017.12.027