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Wir verstehen, wie Verhaltensänderungen entstehen

29. März 2017 | Mirella Wepf

Menschliches Verhalten zu ändern ist bekanntlich schwer. Hans-Joachim Mosler von der Abteilung Umweltsozialwissenschaften der Eawag hat eine Methode entwickelt, die Verhaltensänderungen nachweislich fördert. Jetzt hat er eine Beratungsfirma gegründet, die insbesondere bei Fachleuten für Entwicklungszusammenarbeit auf grosses Interesse stösst. Von Mirella Wepf

Helvetas, Deza, GIZ, Rotes Kreuz, Oxfam, Unicef… Die Liste der Partner von Hans-Joachim Moslers Forschungsprojekten liest sich wie das «Who is Who» der Entwicklungszusammenarbeit. Seit 2002 arbeitet der habilitierte Psychologe und Verhaltensbiologe für die Eawag und leitet in der Abteilung Umweltwissenschaften die Arbeitsgruppe Umwelt- und Gesundheitspsychologie. In dieser Zeit hat er das Ranas-Verhaltensänderungsmodell entwickelt und im Rahmen von mehr als 30 grossangelegten Forschungsprojekten wissenschaftlich evaluiert.

Ein aktuelles Beispiel: Im Auftrag der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung untersucht er gemeinsam mit einem 30-köpfigen Team im Norden Ghanas, wie man Menschen dazu bringt, Toiletten zu bauen und diese auch langfristig zu nutzen. Bisher erleichtern sich die Menschen in dieser Region meist irgendwo im Freien, was vor allem für Kleinkinder ein hohes Gesundheitsrisiko darstellt, wenn sie mit Krankheitskeimen in Berührung kommen. Das Projekt umfasst mehr als 3200 Haushalte. Diese wurden in vier Gruppen aufgeteilt, die jeweils mit unterschiedlichen Interventionen unterstützt werden. Derzeit läuft die erste Nachbefragung der Haushalte, um aufzuzeigen, welches Massnahmenset am meisten dazu beigetragen hat, die sanitären Verhältnisse der Bevölkerung zu verbessern.

Entwicklungsprojekte wissenschaftlich fundiert aufgleisen

«Das Projekt in Ghana zeigt exemplarisch, dass wir mit wissenschaftlich fundierten Methoden und datenbasiert arbeiten», erklärt Mosler. Das sei leider in sehr vielen anderen Entwicklungsprojekten nicht der Fall. Gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe hat er im Verlauf der letzten zehn Jahre die Erkenntnisse aus der Umwelt- und Gesundheitspsychologie erfolgreich für die Entwicklungszusammenarbeit nutzbar machen können – sei es in Projekten, die das Händewaschen in Schulen fördern, den Gebrauch von Fluor-Filtern für gesünderes Trinkwasser ankurbeln oder das Abfallmanagement in Flüchtlingslagern verbessern. «Ich glaube, zu Recht behaupten können, dass wir die einzigen sind, die verstehen, wie Verhaltensänderungen zu Stande kommen», so Mosler. «Das Veranlassen von Verhaltensänderungen ist unsere Stärke!»

36 Techniken, die Verhaltensänderungen fördern

Laut dem Psychologen wird das Verhalten von Menschen durch zahlreiche Faktoren geprägt. Dazu gehören etwa Gruppendruck, Gefühle, Glaube an die eigenen Fähigkeiten oder Angst vor hohen Kosten. Im Ranas-Verhaltensänderungsmodell hat Mosler diese Faktoren folgendermassen kategorisiert (Abb. 2): Risks, attitudes, norms, abilities and self-regulation (Ranas). Auf Deutsch lassen sich diese kurz so umschreiben:

  • Risiken, beispielsweise fehlendes Wissen über den Zusammenhang zwischen Erkrankungen und mangelnder Hygiene
  • Persönliche Einstellung, dazu gehören unter anderem Emotionen, die beim Gedanken an ein bestimmtes Verhalten ausgelöst werden
  • Soziale Normen: Wie verhalten sich die anderen? Oder was denken sie über das neue Verhalten?
  • Fähigkeiten, etwa das Vertrauen in sich selbst, wenn ein Rückschlag eintritt
  • Selbstmanagement: Wie geht man mit Schwierigkeiten um?

Abb. 2: Das Ranas-Modell.

«Ergänzend zu diesen Faktoren haben wir ein Set von 36 Techniken entwickelt, die diese positiv beeinflussen und dadurch Verhaltensänderungen auslösen können», sagt Mosler. Dazu gehören unter anderem die Abgabe einer öffentlichen Selbstverpflichtung (Abb. 3): Jeder Haushalt der eine Toilette bauen will, hisst zum Beispiel eine Flagge auf dem Haus. Die Barrierenplanung thematisiert, welche Hindernisse bei der Umsetzung der Pläne auftauchen können und wie man damit umgeht. Die Installation von Erinnerungsstützen wie das Aufhängen eines Zeitplans zum Füllen der Fluorfilter, ist ein weiterer Faktor, der Verhaltensänderungen initiieren kann.

Abb. 3: Frauen in Bangladesch verpflichten sich öffentlich dazu, das Wasser künftig aus arsenfreien Brunnen zu holen. Der Haushalt in Äthiopien signalisiert mit der Flagge seine Verpflichtung, das Wasser aus nicht mit Fluor kontaminierten Quellen zu beziehen.
(Fotos: Eawag) 

«Ranas Mosler» – ein Spin-off der Eawag

2016 hat Mosler unter dem Titel «Systematic Behavior Change in Water Sanitation and Hygiene» ein umfassendes Manual publiziert, das Entwicklungsorganisationen auch eigenständig anwenden können. Praktisch zeitgleich hat er die Einzelfirma «Ranas Mosler» gegründet – einen Spin-off der Eawag – über die er künftig Beratungen und Kurse zur Implementierung des Ranas-Modells anbieten will. Seit kurzem sind die entsprechenden Verträge, die das Verhältnis der Firma zur Eawag genau regeln, unter Dach und Fach. Dazu gehören der Umgang mit Ergebnissen aus Forschungsprojekten oder die maximale Arbeitszeit, die er neben seinem 100-Prozent-Pensum als Professor bei der Eawag in die Beratungen investieren darf.

«Für die Gründung dieses Spin-Offs gab es mehrere Gründe», erklärt Mosler. Erstens gehöre die Beratungstätigkeit nicht zu den Kernaufgaben von wissenschaftlichen Forschungsinstituten, zweitens werde er im Oktober 2019 pensioniert. Diese Firma biete ihm die Möglichkeit, seine Tätigkeit in einem guten Rahmen fortzusetzen und sein Wissen an Praktikerinnen und Praktiker weltweit weiterzugeben. Und last but not least: Das Interesse am Ranas-Modell sei gross und der Markt vermutlich riesig. Dies illustriert auch eine seiner neuesten Kundinnen: die Suva. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt bereitet in Zusammenarbeit mit Mosler eine Kampagne vor, mit der sie Berufsgruppen, die viel draussen arbeiten, dazu bewegen will, sich besser vor der Sonne zu schützen.

Abb. 4: Hans-Joachim Mosler erklärt seine frisch aufgeschaltete Website www.ranasmosler.com.
(Foto: Peter Penicka) 

Weitere Spin-Offs sind in Planung

Für Kunden bieten Einzelfirmen ein gewisses Risiko: Fällt der Eigner aus, fällt unter Umständen ein ganzes Projekt zusammen. Für diesen Fall hat der Psychologe vorgesorgt: «Ich habe in den letzten Jahren mit vielen Doktorandinnen und Doktoranden zusammengearbeitet, die jederzeit einspringen könnten.» Zudem seien bereits weitere Einzelfirmen von Mitgliedern seiner Forschungsgruppe in Planung. Mosler: «In den nächsten ein bis drei Jahren werden voraussichtlich drei weitere Spin-Offs mit demselben Geschäftsmodell entstehen.»