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Warum wir uns an die Corona-Regeln halten – oder eben nicht
1. Oktober 2020 |
Bisher haben die Umweltpsychologinnen und Psychologen am Wasserforschungsinstitut Eawag und im Eawag Spin-off Ranas vor allem erforscht, wie Menschen in prekären sanitären Verhältnissen dazu motiviert werden können, sich mit einer verbesserten Hygiene vor Krankheiten zu schützen. Jetzt hat eine gemeinsame Studie von Ranas, Eawag und ETH untersucht, welche Erklärungen es gibt, ob und wie gut sich die Bevölkerung an die Verhaltensempfehlungen zum Schutz vor Corona-Viren hält. Das der Studie zu Grunde liegende psychologische Ranas-Modell wurde an der Eawag entwickelt und kommt inzwischen weltweit zum Einsatz, um Gesundheits- und Umweltverhalten besser verstehen und soweit sinnvoll auch beeinflussen zu können.
«Meistens» oder «nur manchmal»
An der repräsentativen Online-Umfrage im April und Mai 2020 nahmen 1000 Personen in der Deutschschweiz teil. Im Mittel gaben sie an, sich im Alltag «meistens» an die Empfehlungen zum Schutz vor Corona zu halten. Die jetzt vorliegenden Resultate zeigen jedoch, dass dies nicht alle Menschen in gleichem Masse tun: Während 54 % die Empfehlungen besonders konsequent befolgten, räumten 12 % ein, sich «nur manchmal» oder «selten» an die Empfehlungen zu halten. Gefragt wurde unter anderem nach Häufigkeit und Gründlichkeit des Händewaschens sowie der Konsequenz beim Maskentragen und Abstandhalten.
Vertrauen in eigene Fähigkeiten und positive Gefühle
Die Unterschiede können mit psychologischen Gründen erklärt werden: Befragte, die sich an die Regeln halten, glauben daran, dass andere sich auch an die Regeln halten. Sie spüren zudem die Erwartung anderer, dies selbst auch zu tun. Ihr Verhalten entspricht einer sozialen Norm. Dieselben Befragten trauen sich selbst gut zu, die Regeln zu befolgen, und erinnern sich auch häufig daran, dass sie die Regeln befolgen wollen. Sie haben also Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ein gutes Selbstmanagement. Und schliesslich verbinden die Konsequenten das Befolgen der Regeln mit positiven Gefühlen: Sie fühlen sich sicher, zum Beispiel nach dem Händewaschen, und sind überzeugt, dass das Befolgen der Regeln positive Folgen hat. «Interessant ist», so der Umweltwissenschaftler Max Friedrich von Ranas, «dass diese psychologischen Gründe offenbar stärker sind als andere Faktoren. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich einer Risikogruppe zuordnen, folgen den Verhaltensempfehlungen nicht häufiger als andere.»
Psychologie in den Kampagnen ansprechen
Die beteiligten Forscherinnen und Forscher hoffen nun, dass beispielsweise Kantone oder das Bundesamt für Gesundheit die Erkenntnisse für ihre Kampagnen nutzen. «Ob die aktuell steigenden Zahlen von Infektionen zu einer zweiten Welle anwachsen, hängt auch davon ab, ob sich Menschen an die Verhaltensempfehlungen halten oder nicht», sagt Silvie Palacios aus dem Team der Forschenden. «Psychologische Motive, die besonders stark mit einem schützenden Verhalten zusammenhängen, sollten aus unserer Sicht in Kampagnen direkt angesprochen werden», empfiehlt sie. So könnte eine Kampagne darauf zielen, das Befolgen der Verhaltensempfehlungen als soziale Norm zu verankern, indem die Verantwortung der Einzelnen für das richtige Verhalten der Mehrheit betont wird. Dem Gefühl, durch die Schutzmassnahmen überfordert zu sein, sollte mit dem Stärken der eigenen Fähigkeit entgegengewirkt werden. Schliesslich sollten Kampagnen die Angesprochenen zum effektiven Selbstmanagement anregen, «zum Beispiel indem ich am Spiegel eine kurze Botschaft anbringe als Erinnerungshilfe», schlägt Verhaltensforscherin Palacios vor.
In der Studie entwickelter Vorschlag für ein Poster, das vier psychologische Gründe zusammennimmt, welche zum Einhalten von Corona-Verhaltensempfehlungen motivieren.
(Bild: Ranas GmbH)
Titelbild: Kenneth Nars