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Gene statt Organismen aus dem Bach fischen

11. Dezember 2014 | Andri Bryner

Ein funktionierendes Umweltmanagement verlangt genaue Kenntnisse über die Verbreitung von Arten. Doch Artenspezialisten werden zunehmend rar und die Bestimmung gewisser Spezies bereitet selbst Experten Kopfzerbrechen. Die Eawag hat zusammen mit dem Kanton Zürich nun einen neuen Weg beschritten zur Identifikation von Arten. Gesammelter Erbgut-Abfall genügt dazu.

Handelt es sich bei den entdeckten Bachflohkrebsen um eine bedrohte Art oder um Organismen, die eine gute Gewässerqualität anzeigen? Oder sind die ersten Ankömmlinge einer invasiven Art ins Netz gegangen? Der Naturschutz und das Management von Naturräumen verlangen nach fundierten Artenkenntnissen. Doch Experten, die unter dem Binokular die Arten anhand äusserer Merkmale aufwändig bestimmen können, sind rar. Alternativen für das Gewässer-Monitoring wären daher willkommen. Nun gegen Biologen der Eawag einen neuen Weg zur Erhebung von Arten: Sie machen sich Umwelt-DNA (eDNA) zunutze. Alle Lebewesen geben mit Ausscheidungen, abgestorbenen Hautzellen oder ausgefallenen Haaren ständig genetisches Material an ihre Umgebung ab. So enthält eine Wasserprobe aus einem Fluss oder See unzählige Erbgutfragmente derer Bewohner. Sind die genetischen Codes der Arten bekannt, können solche DNA-Abschnitte heute dank molekularbiologischer Methoden und weltweiter Datenbanken einzelnen Arten zugeordnet werden.

Kantonale Fachstellen sind interessiert

Zusammen mit dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich (Awel) haben die Forschenden untersucht, ob sich das Verfahren für wirbellose Kleintiere (Makroinvertebraten) eignet. Makroinvertebraten wie Eintagsfliegen, Flohkrebse, Muscheln oder Schnecken sind wichtige Bioindikatoren, die für die Beurteilung der Wasserqualität und Ökotoxizität verwendet werden. Beprobt wurden 14 Stellen an Zürcher Seen und Flüssen – klassisch mit einem Netz und der nachträglichen Bestimmung der gesammelten Arten und mit der Analyse des DNA-Cocktails aus den Wasserproben.

Zwar lieferten die beiden Verfahren nicht in jedem Fall identische Resultate, doch fünf von sechs gesuchten Arten konnten mit beiden Methoden zuverlässig nachgewiesen werden. Vor allem für Lebewesen, die nur in kleinen Populationen vorkommen, scheint die DNA-Methode präzisere Resultate zu liefern. So fanden die Biologen Erbgut der seltenen Eintagsfliege Baetis buceratus zusätzlich an zwei weiteren Standorten, an denen ihnen keine Baetis-Exemplare ins Netz gegangen waren. Laut Projektleiter Florian Altermatt eignet sich die neue Methode deshalb möglicherweise auch, um invasive Arten schon in einem frühen Stadium der Besiedlung zu entdecken. In den USA und in Frankreich wird dies bei invasiven Karpfen bereits erprobt.

Routineüberwachung der Biodiversität als Fernziel

Die eDNA-Methode bietet weitere Vorteile: Weil Umwelt-DNA im Wasser mehr oder weniger überall und jederzeit vorkommt, widerspiegeln die Befunde die Situation eines ganzen Einzugsgebiets und sind weniger zeitkritisch. Das traditionelle Vorgehen mit dem Fangnetz stellt dagegen eine punktuelle Stichprobe zu einem festen Zeitpunkt dar. Bei vielen Arten ist ein Nachweis damit nur für gewisse Lebensstadien und daher nur zu bestimmten Zeiten im Jahr möglich. Für die eDNA-Analyse müssen einem Gewässer keine Organismen entnommen werden und im Prinzip lassen sich Hunderte von Arten gleichzeitig bestimmen. Eine routinemässige und permanente Überwachung der Biodiversität in Gewässern, so wie es heute mit chemischen Parametern geschieht, rückt damit näher.

Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. Abgesehen von methodischen Verbesserungen ist das Verfahren derzeit ebenfalls noch aufwändig und teuer. Den Kantonen fehlen Infrastruktur und Wissen. Altermatt erwartet aber, dass es nicht allzu lange dauern werde, bis sich technische Standards etablieren und einen rationellen Betrieb möglich machen: «Dann werden eDNA-Analysen wenige hundert Franken kosten und billiger sein als klassische Erhebungen.» Das herkömmliche Vorgehen wird allerdings nicht ganz zu ersetzen sein. Altermatt plädiert dafür, die Vorteile beider Verfahren zu nutzen. Artenspezialisten blieben zudem unverzichtbar um die Ergebnisse neuer Methoden überprüfen und eichen zu können, so der Forscher.

Ein ausführlicher Beitrag zur eDNA-Methode wird im Eawag-Newsletter 4/2014 publiziert.

Originalartikel
Utility of environmental DNA for monitoring rare and indicator macroinvertebrate species; Elvira Mächler, Kristy Deiner, Patrick Steinmann, Florian Altermatt; Freshwater Science, Vol. 33, No. 4 (December 2014), pp. 1174-1183; http://www.jstor.org/stable/10.1086/678128

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Medien; honorarfreie Verwendung nur im Zusammenhang mit einer Berichterstattung zu dieser Medieninformation, keine Archivierung. (Quellenangabe: Eawag.)

Wirbellose Kleintiere sind mit gängigen Methoden nur sehr aufwändig zu inventarisieren.
(Foto: Eawag, Elvira Mächler)

Die eDNA-Methode funktioniert für ein breites Artenspektrum von wirbellosen Kleintieren und liefert teilweise präzisere Ergebnisse als das aufwändige klassische Vorgehen.