FLUX - Kunst am Bau
Ästhetischer Wetterbericht im FLUX
Zum Video - Zweikanalprojektion; eine basiert auf Live-Kameraaufnahmen und Lernregeln eines neuronalen Netzes; die Simulation basiert auf Perlin Noise, Navier-Stokes-Solver, Reaktionsdiffusionskinetik, parametrisiert mit Live-Messungen von Sauerstoffgehalt, Temperatur und Trübung.
Die Kunstinstallation «Kontinuum» von Ursula Damm und Felix Bonowski ist eine generative Zwei-Kanal-Projektion. Sie basiert auf Live-Daten des Chriesbachs, der an der Eawag vorbeifliesst.
Die beiden Projektionen repräsentieren eine bestimmte «Realität» des Chriesbachs und seines Flusses im Verlaufe eines Jahres. Beide übersetzen Informationen zu jahreszeitlichen Schwankungen, Farbmustern und physikalischen Prinzipien des Baches in sinnliche Bilder, die an impressionistische und japanische Malerei erinnern. Indem die Installation das Äussere ins Innere, das Wasser in das FLUX-Gebäude, das Objekt der Beobachtung an den Ort seiner Untersuchung bringt, reflektiert sie das «Kontinuum» des Baches und die Funktion des Hauses auf ästhetische Weise.
Die Farbprojektion sammelt Bilder des Chriesbachs und dessen Bewohner
Echtzeitbilder von drei Kameras werden wechselweise durch einen Grafik-Shader geleitet. Dieser basiert auf klassischen Lernregeln eines neuronalen Netzes, das sich Farben in Bereichen mit hoher Aktivität «merkt». Das resultierende Video ist eine Collage welche Aspekte des visuellen Erscheinungsbildes des Chriesbachs aus verschiedenen Zeiten und Blickwinkeln kombiniert. Mit seinen täglichen uns saisonalen Veränderungen dienen die Bilder als eine Art ästhetischer Wetterbericht.
Die Schwarz-Weiss-Projektion ist eine Live-Simulation eines Flusses, der sich durch ein von Felsen übersätes Tal schlängelt. Ausgehend von einem Ökosystem aus Nährstoffen, Primärproduzenten und grasenden Mikroorganismen des Gewässers zeigt sie digital, «wie die Welt aussehen würde, wenn die Natur diesen Regeln folgen würde.» Die Formeln, welche die Form der Landschaft, die Dynamik der Strömung und die Entwicklung des Lebens in der Simulation bestimmen, werden mit Werten parametrisiert, die aus tatsächlichen Echtzeitmessungen der physikalischen Wassereigenschaften abgeleitet werden.
Temperatur, Sauerstoffsättigung und Trübung hinterlassen ihre Spuren
Die Messungen werden von einer vom Forschungsinstitut betriebenen Station durchgeführt, die nur wenige Meter von der Stelle entfernt ist, an der die Kameras auf den Bach blicken. Die Korrespondenzen zwischen den Messungen und den Modellparametern sind so gewählt, dass jahreszeitliche Veränderungen (Temperatur), Tagesrhythmen (Sauerstoffsättigung durch Photosynthese) und gelegentliche Ereignisse (Trübung durch Gewitter und Bauarbeiten) ihre Spuren in den Grafiken hinterlassen. Die Simulation verwandelt sich von einem Tal mit wenigen großen Felsbrocken in ein (virtuelles) Flussbett mit vielen kleinen Kieselsteinen – von einem emergenten biologischen Muster in ein anderes, von einem langsam mäandrierenden Fluss in einen heftigen Strom. Dadurch zeigt sie sich als ein Wesen in ständigem Wandel.
Am rechten Rand jeder Projektion greift die Bildlogik der jeweils anderen Projektion ein, so dass sich die Farbdaten des Live-Streams und die Muster der Schwarz-Weiß-Simulation überschneiden: Kontrastreiche Bewegungen in der farbigen Projektion (z.B. Reflexionen oder schwimmende Blätter) werden zu Linien, Kratzern und Löchern in der Schwarz-Weiß-Projektion. Sie erscheinen als Kräfte, die das organische Leben auslöschen und das Bild zerstören. So wird deutlich, dass kein Bild und keine «Realität» für sich stehen, sondern durch vielfältige Zugänge in Frage gestellt, gestört oder interpretiert werden können.
Kontinuum
Kunstinstallation von Ursula Damm und Felix Bonowski, 2021
Kuratorin: Yvonne Volkart
Im Auftrag der Eawag
«Grossen Anklang bei der Jury fand die Ästhetik der Installation und deren zugrundeliegendes Konzept. Dieses bezieht sich auf durchdachte Weise auf das FLUX-Gebäude und seine unmittelbare Umgebung mit dem Bach und der Seerosen-Skulptur als Ort des Fliessens und der Wissenschaft vom Wasser. Die Idee, den Chriesbach zum Ausgangspunkt des Geschehens zu machen, das den Lauf und Verlauf des Gewässers draussen mit der Wasserforschung und -lehre drinnen verbindet, überzeugte sehr.
Überzeugend fand man auch die beiden unterschiedlichen Darstellungsweisen: Sie machen das Wasser und den wissenschaftlichen Zugang dazu als sinnliches Phänomen erlebbar, das sich permanent verändert und letztlich nie ganz greifbar bleibt. Man kann sich vorstellen, dass die Betrachtenden wie in einem Bild von Claude Monet in einen distanzlosen Fluss voller Farben und Formen gezogen werden. Die Jury war sich einig, dass die durch den Korridor gegebene Nähe zum Bild kein Problem ist, sondern zur Voraussetzung für ein spezielles Erlebnis werden könnte.»
Aus dem Jurybericht, Juni 2019
Zu den Künstlern
Ursula Damm begann ihre künstlerische Laufbahn mit Erdskulpturen als Modelle von Raum und Zeit, entwickelt in einer körperlichen Erfahrung. In den 1990er Jahren wurden die Installationen zu geometrischen Prozessen von Siedlungsmustern. Ab 1995 reagierten ihre Installationen interaktiv auf architektonische Aspekte unter Verwendung von Video-Tracking-Technologie. Daneben entwickelte sie zahlreiche Installationen zum Wechselverhältnis von Natur, Wissenschaft und Zivilisation. Ursula Damm erhielt für ihre Werke mehrere Preise, Stipendien und Förderungen. Ihre Arbeiten wurden weltweit in verschiedenen Festivals und Ausstellungen präsentiert. Seit 2008 leitet sie den Lehrstuhl für Media Environments an der Bauhaus-Universität Weimar.
Felix Bonowski studierte molekulare Biotechnologie in Heidelberg und arbeitet als Künstler in Berlin. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit Formentstehung im Wechselspiel zwischen Akteuren und ihren Umwelten im Grenzbereich zwischen mathematischer Systembetrachtung und sinnlicher Naturerfahrung. Die dazu verwendeten Materialien reichen von Moos und Fischen über robotischen Zeichenmaschinen und Laserlicht bis hin zur mathematischen Fluidsimulation.