Abteilung Umwelttoxikologie
Proteomik für Oekotoxikologie
Proteine spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung und Steuerung der Zellstruktur, des Stoffwechsels und der Zellfunktionen, indem sie als Strukturkomponenten, Enzyme, Signalmoleküle, Transporter, Ionenpumpen oder Transkriptionsfaktoren usw. dienen. Extrazellulär dargestellte oder ausgeschiedene Proteine sind auch an der Zell-Zell-Kommunikation und der Entwicklung der Gewebe- und Organarchitektur beteiligt. Es ist daher nicht überraschend, dass viele Chemikalien verschiedene Veränderungen in der Konzentration, die post-translationalen Modifikationen, der Struktur oder der Funktion bestimmter Proteine hervorrufen können. Diese Veränderungen können sich wiederum auf zelluläre Phänotypen auswirken, sich weiter auf die Ebene von Geweben und Organen ausbreiten und sich schließlich auf der Ebene des gesamten Organismus manifestieren.
Die Proteomik konzentriert sich auf die Untersuchung von Proteinen und deren Veränderungen als Teil der natürlichen biologischen Variation oder als Reaktion auf Stimuli oder Stressfaktoren. Im Vergleich zur Transkriptomik, d. h. der Analyse der Konzentration von mRNA-Transkripten, wurde die Proteomik in der toxikologischen Forschung bisher weniger häufig eingesetzt. Dies mag an den technologischen Herausforderungen, den höheren Kosten und der (vermeintlich) geringeren Menge an Informationen liegen, die bei einem typischen Proteomik-Experiment im Vergleich zu einer Transkriptomik-Studie gewonnen werden können. Aufgrund der Entwicklungen in der Biomedizin haben sich die Proteomik-Technologien in den letzten Jahren jedoch ständig verbessert, so dass sich auch in der ökotoxikologischen Forschung interessante Möglichkeiten für eine breitere Anwendung ergeben. Daher arbeitet das Bioanalytik-Team der Abteilung Umwelttoxikologie an der Anpassung massenspektrometriebasierter Bottom-up-Proteomik-Analysepipelines für verschiedene Anwendungen in der Ökotoxikologie.
Je nach Forschungsfrage können sowohl globale als auch gezielte Proteomikexperimente konzipiert werden.
Die globale Proteomik im Entdeckungsmodus kann einen breiten Überblick über mehrere Prozesse und Funktionen liefern, die von Proteinen gesteuert werden, und ermöglicht somit die Identifizierung spezifischer Komponenten oder Pfade, die durch die Exposition gegenüber einem bestimmten Stressor beeinträchtigt werden. Bei der massenspektrometrischen Analyse können sowohl die datenabhängige Akquisition (DDA, Englisch: data-dependent acquisition) als auch die datenunabhängige Akquisition (DIA, Engslich: data-independent acquisition) eingesetzt werden, wobei letztere eine Verbesserung der Empfindlichkeit und Reproduzierbarkeit der markierungsfreien Quantifizierung bietet.
Spezifische Proteine, die durch eine globale Proteomik-Analyse oder aufgrund einer bestimmten Hypothese ausgewählt wurden, können mit gezielten Proteomik-Methoden untersucht werden, die in der Regel auf der Überwachung ausgewählter Reaktionen (SRM, Englisch: Selected Reaction Monitoring) basieren. SRM offeriert bessere Sensitivität, schnellere Analyse und höhere Durchfluss für mehrere Proben sowie verbesserte Quantifizierungsmöglichkeiten. So analysieren wir zum Beispiel die Glutathion-S-Transferasen (GSTs), eine wichtige Enzymfamilie der Phase II der Biotransformation, die an der Entgiftung von Elektrophilen beteiligt ist, in Fischen und Zellmodellen.
Sowohl globale als auch gezielte Proteomik kann auch zur Untersuchung posttranslationaler Veränderungen von Proteinen eingesetzt werden. So ist beispielsweise bekannt, dass die Phosphorylierung/Dephosphorylierung von Proteinen an Signalkaskaden beteiligt ist, die eine wichtige Rolle in der grundlegenden Zellphysiologie und der zellulären Reaktion auf Stressfaktoren spielen. Derzeit versuchen wir, eine Pipeline für die massenspektrometriebasierte gezielte Analyse der Phosphorylierungsdynamik innerhalb des Mechanistic Target of Rapamycin (mTOR) -Signalweges zu entwickeln. Dieser Signalweg wurde ausgewählt aufgrund seiner vermuteten Beteiligung an dem Einfluss von chemischen Effekten auf das Wachstum von Fischen. Der entwickelte Arbeitsablauf könnte später auf die Untersuchung anderer Proteinnetzwerke angewendet werden. Die Massenspektrometrie basierte gezielte Proteomik-Verfahren könnte somit ein wertvolles Instrument bieten zur Untersuchung der molekularen Signalübertragung in Fischen, wo dieser mechanistische Aspekt bisher weitgehend vernachlässigt wurde, aufgrund der Schwierigkeiten bei der Beschaffung artspezifischer Antikörper für die involvierten Proteine.
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