«Die Nachhaltigkeitsziele spielen bei uns überall eine Rolle»

Nachhaltigkeit ist an der Eawag schon lange ein Thema, nicht erst seit die Sustainable Development Goals verabschiedet wurden. Insbesondere Eawag-Forscher Christoph Lüthi setzt sich seit vielen Jahren damit auseinander und hat den diesjährigen Infotag mitkonzipiert.

Wiederkehrende Dürresommer, Pestizide im Grundwasser, ein dramatischer Rückgang der Biodiversität: Auch in der Schweiz sind die Ressource Wasser und mit ihr ganze Ökosysteme zunehmend unter Druck. Mit negativen Folgen für diverse Lebensbereiche, etwa die Gesundheit oder die Energiegewinnung. Ein nachhaltiger Umgang mit dem «blauen Gold» wird auch hierzulande und angesichts des Klimawandels immer wichtiger. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung trägt der Bedeutung von Wasser – als Ressource wie als Ökosystem – Rechnung. Die Nachhaltigkeitsziele, die die UNO in diesem Rahmen formuliert hat und zu denen sich auch die Schweiz bekennt (siehe Übersicht), sind nicht nur für Politik, Verwaltung und Wirtschaft relevant, sondern auch für die Forschung. «Wir orientieren uns an diesen Zielen und tragen mit unserer Arbeit zu deren Erreichung bei», sagt Christoph Lüthi. «Wie die Eawag das macht, zeigen wir an diesem Infotag.»

Es ist kein Zufall, dass Christoph Lüthi, Stadtentwickler und Leiter der Abteilung Siedlungshygiene und Wasser für Entwicklung (Sandec), den diesjährigen Infotag mitkonzipiert hat und moderiert. Insbesondere in seiner Abteilung dreht sich alles um das Ziel Nummer 6 «Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen» – und das bereits vor Inkrafttreten der Agenda 2030. Seit 1992 werden bei Sandec Methoden und Technologien erforscht und entwickelt, um den Ärmsten der Welt Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen zu ermöglichen. Bereits bei den «Millennium Development Goals» (MDG), dem Vorläufer der Agenda 2030, haben die Eawag-Forschenden mit ihrer Arbeit aktiv zu nachhaltigen Lösungen im Bereich der Wasserversorgung, Siedlungshygiene und Abfallbewirtschaftung beigetragen.

Wasser ist (fast) überall

Anders als die MDG, die ausschliesslich die Länder des Globalen Südens in die Pflicht nahmen – was oft kritisiert wurde und ihrer Akzeptanz Abbruch tat – richten sich die SDGs auch an die Länder des Globalen Nordens. Die Probleme und Herausforderungen der «entwickelten Welt» sind anders gelagert. Hier liegt der Fokus nicht auf der Überwindung von Armut und Hunger oder dem Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen. Es geht vielmehr darum, verantwortungsvoll und umweltbewusst zu produzieren und zu konsumieren, Biodiversität und natürliche Lebensräume zu schützen, erneuerbare Energien zu fördern und unsere Städte resilienter gegenüber den Folgen des Klimawandels zu machen – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Themen sind mit der Agenda 2030 mehr und vielfältiger geworden, und bei sehr vielen spielt Wasser eine Rolle. «Praktisch jede Forschungsabteilung an der Eawag trägt direkt oder indirekt zu einem der Nachhaltigkeitsziele bei», sagt Lüthi. Selbst zu Zielen, die auf den ersten Blick nichts mit Wasser zu tun haben, wie etwa dem Zugang zu hochwertiger Bildung. «Es gibt Studien, die belegen, dass Mädchen in ärmeren Weltregionen eher zur Schule gehen, wenn an der Schule funktionstüchtige und saubere Toiletten vorhanden sind.»

Dass sich so gut wie alle Eawag-Forschenden in ihrer Arbeit mit dem einen oder anderen SDG auseinandersetzen, hat die Auswahl der Beiträge für den Infotag nicht einfacher gemacht. «Wir haben versucht, ein Programm zusammenzustellen, das die Breite unserer Forschung und ihrer Wirkung für die Nachhaltigkeitsziele aufzeigt», sagt Lüthi. Von Technologien für die Wasseraufbereitung (siehe Artikel «Autarky – eine für alles» und «Low-Tech-Lösungen für sauberes Trinkwasser») bis zum psychologischen Blick auf die Nutzung solcher Systeme (siehe Artikel «Die Expertin für den Faktor Mensch»). Von der Messung von Pestizidrückständen in Gewässern (siehe Artikel «Das Pestizidproblem im Dialog mit der Landwirtschaft lösen») bis zur globalen Kartierung von Grundwasser-Schadstoffen mittels Machine Learning (siehe Artikel «Schadstoffe im Grundwasser: Mit Machine-Learning blinde Flecken aufdecken»). Von blau-grünen Infrastrukturen für lebenswerte Städte (siehe Artikel «Mehr Grün und Blau für lebenswerte Städte») bis zu natürlichen Strukturen für lebenswerte Fliessgewässer (siehe Artikel «Den Notausgang für Wasserlebewesen freihalten»).

Eine wichtige Partnerin

Ein Ziel, das bei allen Forschungsprojekten der Eawag mitschwingt, ist Ziel Nummer 17: Partnerschaften. Das Wasserforschungsinstitut kooperiert länder- und institutionsübergreifend, stellt Daten und Informationsmaterial für Behörden und Praxis bereit, engagiert sich für Bildung und Wissenstransfer. «Beispielsweise haben wir vier Online-Kurse, sogenannte MOOCs (Massive Open Online Courses), produziert», erzählt Lüthi. Über 160'000 Personen weltweit haben sich mit diesen Kursen bisher schon zu den Themen Trinkwasseraufbereitung, Abwasserentsorgung und Abfallmanagement weitergebildet. Eawag-Forschende lehren darüber hinaus an Hochschulen im In- und Ausland, jährlich absolvieren dutzende Doktorierende ihr Promotionsstudium am Schweizer Wasserforschungsinstitut und es werden praxisorientierte Kurse für Fachleute angeboten. Auch damit trägt die Eawag zur Nachhaltigkeit bei. Lüthi: «Ich erachte es als eine unserer wichtigsten Aufgaben, die nächste Generation an Wasserexpertinnen und -experten für die Herausforderungen von morgen auszubilden.»

Erstellt von Isabel Plana für das Infotag-Magazin 2023