LéXPLORE – die schwimmende Forschungsstation
Beitrag aus dem Infotag-Magazin 2022
Auf dem Genfersee schwimmt seit 2019 eine weltweit einzigartige Forschungseinrichtung. Dank automatisch messender Sensoren und fachübergreifender Zusammenarbeit wird sie unser Verständnis von Seen wesentlich verbessern.
Seen sind sensible und komplexe Ökosysteme, die Lebensraum für zahlreiche Arten bieten und uns Menschen mit der lebenswichtigen Ressource Trinkwasser versorgen. Obwohl sie schon lange erforscht werden, gibt es noch immer Rätsel, die es erschweren abzuschätzen, wie Seen etwa auf den Klimawandel reagieren oder vor Beeinträchtigungen wie Pestizid- oder Nährstoffeinträgen geschützt werden können. Aus diesem Grund schwimmt auf dem Genfersee seit 2019 eine weltweit einzigartige Forschungsstation für die Seenforschung: LéXPLORE. Diese ist rund 100 Quadratmeter gross und mit Hightech-Sensoren ausgestattet, die bis zu einer Tiefe von 110 Metern physikalische, chemische und biologische Parameter kontinuierlich messen können. Somit erfassen sie auch rasch ablaufende Vorgänge wie Temperaturschwankungen. Kombiniert mit weiteren Monitoringdaten helfen diese Messungen mit, langfristige Entwicklungen wie die Akkumulation von Schadstoffen oder den Rückgang des Phosphorgehaltes besser zu verstehen.
Sensoren arbeiten auch nachts
Traditionell werden Seen erforscht, indem Wasserproben von Schiffen aus oder mit lokal verankerten Messinstrumenten entnommen werden. Danach werden die Proben aufbereitet, in ein Labor transportiert und dort analysiert. Probenahme und -analyse sind mit einem hohen technischen und logistischen Aufwand verbunden, der Häufigkeit und Umfang von Messungen bisher stark einschränkte. Somit standen kaum kontinuierliche 24-Stunden-Messungen zur Verfügung, da es selten vorkommt, dass nachts Proben genommen werden. Viele Prozesse in See-Ökosystemen, wie die Primärproduktion und die damit verbundene Sauerstoffkonzentration, folgen jedoch einem zirkadianen Rhythmus und können daher nur durch 24-Stunden-Messungen adäquat verfolgt werden. Hierzu bietet die Forschungsstation LéXPLORE neue Möglichkeiten: Sie verfügt über Sensoren, die automatisiert und kontinuierlich Messungen durchführen und ihre Daten direkt an die Computer der Datenplattform «Datalakes» senden, wo sie gespeichert, verarbeitet und in Echtzeit auf einem öffentlichen Portal zur Verfügung gestellt werden.
Blaualgen per Satellit beobachten
Die Forschungsstation LéXPLORE bietet den Forschenden nicht nur eine ideale Infrastruktur, sondern erleichtert auch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachgebieten, zum Beispiel bei der Validierung von Satellitendaten. Satellitendaten können beispielsweise eingesetzt werden, um Phytoplankton wie Blaualgen in Seen zu beobachten. Blaualgen können sich innerhalb weniger Tage fast explosionsartig entwickeln und toxische Stoffe ausscheiden, die Menschen und Tiere gefährden. Mit klassischen Untersuchungsmethoden ist es kaum möglich, Algenblüten frühzeitig zu erfassen und ihre Entwicklung zu verfolgen. Forschende von LéXPLORE haben deshalb Aufnahmen von optischen Satellitendaten des Genfersees mit Daten von automatisch messenden Sensoren im See verglichen. Ihre vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass Satellitendaten zur Erkennung von Blaualgenblüten genutzt werden können. In Zukunft könnte es somit einfacher werden, die Bevölkerung rechtzeitig vor Blaualgen und der damit verbundenen Gefahr von Giftstoffen im Seewasser zu warnen.
Die Forschungsstation LéXPLORE wird betrieben von Eawag, EPFL, den Universitäten Genf und Lausanne sowie dem Alpinen Forschungszentrum für trophische Netzwerke und limnische Ökosysteme (CARRTEL) in Thonon-les-Bains (FR). Sie bietet 16 Arbeitsplätze vor Ort, ist mit Labors ausgestattet und steht allen interessierten Gewässerforschenden zur Verfügung. Zurzeit laufen rund 40 Projekte, welche physikalische, chemische oder biologische Prozesse untersuchen oder neue Technologien weiterentwickeln (siehe Grafik rechts oben).
Die Forschenden der Station verpflichten sich, ihre Daten auf der Datenplattform «Datalakes» frei zur Verfügung zu stellen. Am Infotag wurden einzelne Projekte vorgestellt, zum Beispiel zur Umweltbeobachtung aus dem All und zur Forschung von Kristin Schirmer.
Erstellt von Manuela di Giulio für das Infotag-Magazin 2022